Beschaffungsrisiko-management im Zeitalter von Corona – procure.ch

Beschaffungsrisiko-management im Zeitalter von Corona

Publiziert am Autoren: Paul Ammann, Robert M. Münch, Ralph Lehmann

Die Aktualität zeigt auf, wie wichtig das Risikomanagement in der internationalen Beschaffung ist. Ein Innosuisse Projekt entwickelt eine Methode zur frühzeitigen Erkennung, Beurteilung, Kontrolle und Überwachung von internationalen Beschaffungsrisiken. Diese soll durch eine auf KMU ausgerichtete IT-Lösung unterstützt werden.

ComatReleco ist ein weltweit führender Anbieter von qualitativ hochwertigen elektromagnetischen Schaltern, Relais und Schützen aller Art. Hauptkunden sind Bahnproduzenten und Automatisierungsanbieter. Das Unternehmen wurde von der Coronakrise stark getroffen, da seine wichtigsten Lieferanten in China tätig sind. Deren Produktionsstätten waren während des chinesischen Neujahrs 2020 und anschliessend für mindestens einen Monat durch die Coronakrise geschlossen. ComatReleco fehlten dadurch wichtige Teile in der Produktion und das Unternehmen hatte mit Lieferengpässen zu kämpfen. 

Neue Risikomanagementmethode

Eine Unternehmensbefragung, die im Rahmen des Innosuisse-Projekts iBERIMA durchgeführt wurde, bestätigt die Erfahrungen von ComatReleco: Die internationale Beschaffung lässt für Schweizer Unternehmen massgebliche Risiken entstehen – und fast die Hälfte der befragten Firmen gesteht, dass das eigene Beschaffungsrisikomanagement mangelhaft sei. Auf der Grundlage dieser Unternehmensbefragung wurde im Rahmen des Innosuisse-Projektes eine Risikomanagementmethode entwickelt, die es KMU ermöglicht, die Risiken der internationalen Beschaffung frühzeitig zu erkennen, zu beurteilen, zu kontrollieren und zu überwachen. Der Prozess eines solchen systematischen Risikomanagements beginnt mit der Priorisierung der Einkaufsteile. Die Teile werden im Hinblick auf ihren Einfluss auf den Unternehmenserlös bewertet. Einkaufsteile mit einem grossen Einfluss werden im Risikomanagement mit einer höheren Priorität behandelt als weniger wichtige Teile. Für die priorisierten Einkaufsteile und deren Lieferanten werden aufgrund einer umfassenden Checkliste die Risiken bestimmt, die aus dem länderübergreifenden Einkauf entstehen können. Die definierten Risiken werden danach im Hinblick auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und das potenzielle Schadensausmass bewertet. Um die Risiken zu kontrollieren, wird eine der vier folgenden Kontrollstrategien eingesetzt: Risikovermeidung, Risikoverminderung, Risikoübertragung, Risikoübernahme. Die Überwachung der Beschaffungsrisiken umfasst schliesslich deren regelmässige Überprüfung mit Hilfe eines Datencockpits, damit mögliche Änderungen in der Risikolage proaktiv in den Risikomanagementprozess einfliessen können. 

Unterstützte Implementierung

Um die KMU bei der Einführung und dem nachhaltigen Einsatz des Risikomanagementprozesses zu unterstützen, ist die Entwicklung einer pragmatischen IT-Lösung geplant. Diese Lösung wird neben dem Risikomanagement zusätzlich den gesamten Einkaufsprozess abdecken, da beide Bereiche eng zusammenhängen. Ziel ist es, dass die Risikomanagementaufgaben Identifikation, Bewertung, Kontrolle und Überwachung mit möglichst geringem Aufwand durchgeführt werden können und dabei den maximalen Nutzen für das Unternehmen stiften. Denn eine Erkenntnis des Projektes ist es, dass nur ein pragmatischer und möglichst leichtgewichtiger – aber trotzdem umfassender – Risikomanagementprozess nachhaltig von den Unternehmen eingesetzt wird. Die IT-Lösung wird den Risikomanagementprozess auf der Ebene der Einkaufsteile unterstützen. Risikomanagement bleibt somit keine abstrakte Übung, sondern kann als Entscheidungshilfe im operativen Geschäft genutzt werden. Die Risikominderungsmassnahmen stehen dabei im Fokus und werden so integriert, dass deren Implementierung einfach nachverfolgt werden kann. Eine tagesaktuelle Risiko-Exposition, gemessen in Schweizer Franken, wird den Anwendern zur Verfügung stehen. Der Vergleich dieser Ist-Risiko-Exposition mit einer automatisch berechneten Maximal-Risiko-Exposition ermöglicht den Unternehmen, Risikominderungsmassnahmen zu planen und einzuleiten. Eine grosse Herausforderung im Risikomanagement ist es, frühzeitig vom Eintritt beziehungsweise von der Erhöhung eines Risikos zu erfahren. Daher werden auch externe Datenquellen an die IT-Lösung angeschlossen und ein hoher Automatisierungsgrad für das Risikomanagement erreicht. Die geplante IT-Lösung wird auf der Basis einer bereits existierenden Einkaufslösung implementiert. Unternehmen können damit nicht nur das Risikomanagement einführen. Sie erhalten ebenfalls die Möglichkeit, ihre Einkaufsprozesse digital zu unterstützen. 

Investition lohnt sich

Die Coronapandemie wird nicht die letzte Krise sein, die die internationalen Zulieferketten von Schweizer Unternehmen wie ComatReleco beeinträchtigen. Deshalb lohnt sich die Investition in das internationale  Beschaffungsrisikomanagement, um Schäden, die aus solchen Krisen entstehen, reduzieren zu können.Mitglieder von procure.ch sollen die aus dem Innosuisse-Projekt iBERIMA entstehende IT-Lösung zu attraktiven Konditionen nutzen können. Im Rahmen von Webinaren wird das Konzept des Instrumentes den interessierten procure.ch-Mitgliedern vorgestellt. Die Einladungen dafür erhalten die Unternehmen per E-Mail. Die Realisierung der IT-Lösung wird bei einer genügend hohen Anzahl von Interessenten möglich sein. 


Webinar – iBERIMA-Risikomanagement-Tool

Das Webinar stellt ein digitales Instrument zum Management von internationalen Beschaffungsrisiken vor. Das IT-Tool wird im Rahmen des Innosuisse-Projektes «iBERIMA» entwickelt und ermöglicht es KMU, Beschaffungsrisiken automatisiert zu erkennen, zu beurteilen, zu kontrollieren und zu überwachen. procure.ch-Mitglieder erhalten ein exklusives Angebot für den Einsatz der Lösung.

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Paul Ammann

Paul Ammann leitet den Forschungsbereich International Management der Berner Fachhochschule und ist Hochschulpartner im Innosuisse-Projekt iBERIMA.

Robert M. Münch

Robert M. Münch ist CEO der Saphirion AG und Implementierungspartner im Innosuisse-Projekt iBERIMA.

Ralph Lehmann

 

Ralph Lehmann ist Professor für International Business an der Fachhochschule Graubünden und Hochschulpartner im Innosuisse-Projekt iBERIMA.