«Universal translator» statt Profiübersetzer? – procure.ch

«Universal translator» statt Profiübersetzer?

Publiziert am Autorin: Iris Strauss

Jeder global tätige Einkäufer träumt davon: In den Star-Trek-Filmen ermöglicht es ein Universalübersetzer, mit allen Völkern in allen Sprachen zu kommunizieren, sogar in zuvor unbekannten Sprachen. Ist das für die Unternehmenswelt in nächster Zukunft auch ähnlich denkbar?

Hoch nIv, qa''a'pu'vaD Hutlh QumpIn barriers SabtaHbogh, qaSchoH poH immemorial, tu'lu'. Sie haben nichts verstanden? Kein Wunder, das ist Klingonisch und bedeutet übersetzt: «Der Wunsch, ohne Sprachbarrieren miteinander zu kommunizieren, besteht seit Menschengedenken.» Seit 1979  sprechen die Klingonen in den weltbekannten StarTrek-Filmen so. Und weil an Bord der Föderationsraumschiffe ein babylonisches Sprachgewirr herrscht,  bedienen sich die Star-Trek-Macher eines Geräts namens «universal translator». Bei Gesprächen mit Angehörigen anderer Spezies wandelt dieser die Sprache des Sprechenden in die des Gegenübers um. Ausserdem ist er in der Lage, für unbekannte Sprachen eine neue Übersetzungsmatrix zu erstellen.

Auch im nationalen und internationalen Geschäftsleben ist die Mehrsprachigkeit nicht nur ein Wunsch, sondern ein Muss. In einer Zeit, in der viele Unternehmen eine weltweit orientierte Beschaffungsstrategie verfolgen, stellen die Übersetzungskosten einen nicht unbeträchtlichen Aufwand dar. Gute, schnelle, günstige und situativ passende Sprachlösungen sind also gefragt.

Maschinen erlernen Sprachen

Hier bietet sich die sogenannte «neuronale maschinelle Übersetzung (NMT, neural machine translation) an. Was sich doch eher abstrakt anhört, kennen Sie aus dem täglichen Berufs- und Privatleben, beispielsweise Lösungen wie Google Translate oder DeepL. Maschinelle Übersetzungen erfreuen sich wachsender Akzeptanz. Es stellt sich folglich die Frage, ob und wie die maschinelle Übersetzung in einem Unternehmen auf breiter Basis eingesetzt werden kann.

Gemäss dem Linguisten Noam Chomsky ist das Erlernen von Sprachen den Menschen angeboren – den Maschinen hingegen nicht. Menschen können unendlich viele aussagekräftige Sätze produzieren, die das Gegenüber versteht. Inhalte und Aussagen können von vielen Faktoren wie Kontext, Idiomatik, Stil und Kulturraum abhängen.

Damit die Übersetzung mit der Maschine gelingt, sind Regeln und Algorithmen zu definieren und auf die binäre Sprache der Maschine zu übertragen. Auf verschiedenen Ebenen stellt diese grammatikalische Zusammenhänge zwischen den zweisprachigen Texten her.

Im legendären Georgetown-Experiment von 1954 konnten mit grösster Mühe sechzig Sätze automatisch vom Russischen ins Englische übersetzt werden. Heute berechnen neuronale Übersetzungsmaschinen riesige Datenmengen in Millisekunden. Das funktioniert dank extremer Rechenleistung und dem sogenannten Deep Learning. In Anlehnung an das menschliche Gehirn lernt eine künstliche Intelligenz mittels neuronalem Netzwerk laufend selbstständig dazu.

Ein strategischer Entscheid

Ist es unter diesen Voraussetzungen realistisch, die Maschine so lernfähig zu machen, dass sie die Humanübersetzung ersetzt? Es ist eine gewagte Annahme, dass Maschinen all unsere Kommunikationsbedürfnisse von morgen abdecken werden. Sie können für Unternehmen jedoch den Aufwand reduzieren, den Prozess beschleunigen und die Kosten mittelfristig senken.

Wie soll ein solches Projekt angegangen werden? Welche Lösung kommt für die Bedürfnisse des Unternehmens infrage? Beim Entscheid für oder gegen die maschinelle Übersetzung geht es nicht nur um Geld und Ressourcen, sondern auch darum, wie das Unternehmen in Zukunft am Markt auftreten und mit seinen Anspruchsgruppen kommunizieren will.

In einem ersten Schritt sind deshalb Grundsatzfragen zu klären und darauf aufbauend Test- und Lernphasen zu planen.

Phase 1: Grundsatzfragen klären
Für ein NMT-Projekt sind Tests, Korrekturen und Feinabstimmung Voraussetzung. Vor der Initialisierung des Projektes sind grundlegende Fragen zu beantworten wie zum Beispiel:

  • Welches Kosten-Nutzen-Ziel soll realisiert werden? Will das Unternehmen in eine professionelle, langfristige Lösung investieren?
  • Welches Potenzial ist für NMT vorhanden? Mögliche Zielgruppen, Texte, Sprachen? Qualitätskriterien für den Output? Vorgaben an Referenztexte, Terminologie und Corporate Wording?
  • Welche technischen Anforderungen soll die NMT-Lösung abdecken? Interne Variante oder Anbindung über eine Schnittstelle zu einem externen Anbieter? Mit welchem Angebot? Betreuung durch interne Mitarbeitende oder externe Spezialisten?

Phase 2: Trial-und-Error-Szenario
Sobald nach Phase 1 die nötigen Vorkehrungen getroffen sind, kann der mehrstufige Test beginnen.

  • NMT vorbereiten: Die Maschine wird mit zweisprachigen Korpora (Sammlung von Texten in bestimmten Sprachen) sowie branchen- und unternehmensspezifischer Terminologie «gefüttert».
  • Test I und Output korrigieren: Texte für Probeübersetzungen werden eingegeben und das Resultat analysiert. Sind die Fachbegriffe richtig übersetzt? Wo und in welcher Hinsicht müssen die Texte verbessert werden?
  • Korrigierte Texte einlesen: In Abhängigkeit der definierten Qualitätskriterien wird die Maschine in den gewünschten Sprachkombinationen und Fachgebieten gezielt trainiert.
  • Test II und Output korrigieren: Die Resultate aus den Korrekturmassnahmen werden erneut geprüft und bewertet. Falls die Texte die vordefinierten Kriterien nicht erfüllen, werden die Ergebnisse wieder nachbearbeitet und in die Maschine eingelesen.

Die Schritte in Phase 2 wiederholen sich, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist. Entscheidend ist nicht die Häufigkeit der Korrekturen, sondern die kontinuierliche Verbesserung.

Schneller zum Ziel

Ob und wie NMT in einem Unternehmen Einzug findet, ist, wie schon erwähnt, eine strategische Frage und eine Investition. Es lohnt sich, mit Spezialisten Szenarien zu entwickeln und daraus Kosten-Nutzen-Potenziale abzuleiten. Das sind gute Grundlagen für den Entscheid eines möglichen Einsatzes von NMT und für die Beurteilung der verschiedenen Angebote. Schliesslich gilt für Sprachlösungen das gleiche Prinzip wie bei der Optimierung von Produktionsprozessen: Veränderungen und zukunftsfähige Lösungen können am besten mit langjährigen Partnern entwickelt werden.

Iris Strauss

Iris Strauss

Die Marketingspezialistin hat über 20 Jahre Führungs- und Projekterfahrung im Banken-, Telekom- und Sprachsektor Seit Anfang 2018 ist sie als Chief Sales & Marketing bei SwissGlobal Language Services AG tätig.