2024: Kaum Impulse für die Schweizer Wirtschaft – procure.ch

2024: Kaum Impulse für die Schweizer Wirtschaft

Publiziert am Autor: Alessandro Bee

Bei einer sanften Landung der globalen Wirtschaft dürfte das Schweizer Wachstum zwar 2024 auch unterdurchschnittlich bleiben, eine Rezession kann jedoch vermieden werden. Es fehlen der hiesigen Industrie und damit auch der Schweizer Wirtschaft weiterhin die Impulse für eine Beschleunigung, die grössten Abwärtsrisiken sind aber gebannt. Entlastung dürfen die Unternehmen aber vom Ende des Zinsanhebungszyklus erwarten.

Die Schweizer Wirtschaft wuchs im dritten Quartal im Vorjahresvergleich um lediglich 0,3 Prozent. Weiterhin solid zeigte sich die Binnennachfrage. Dagegen litten Investitionen unter dem schwachen aussenwirtschaftlichen Umfeld.

Sanfte globale Landung

Für die globale Konjunktur im nächsten Jahr schweben uns vier Szenarien vor. Das Wahrscheinlichste ist eine sanfte Landung der globalen Wirtschaft, angeführt von den USA. In der Vergangenheit haben starke Zinsanhebungen oft zu einer Rezession in der US-Wirtschaft geführt. Diese zeigte sich aber im bisherigen Jahresverlauf robust, was die Hoffnung nährt, dass ihr heuer eine weiche Landung gelingt.

Die Verlangsamung der US-Wirtschaft wäre in diesem Szenario so kräftig, dass die US-Zentralbank die Leitzinsen senkt, aber nicht kräftig genug, als dass die US-Arbeitslosigkeit stark steigen würde und der US-Konsum unter Druck kommt.

Vor diesem Hintergrund würde sich das schwache Wachstum in der Eurozone wohl fortsetzen, aber die Risiken einer tiefen Rezession wären gebannt. Rückenwind dürfte die europäische Wirtschaft wohl vom Rückgang der Inflation erhalten. Dagegen droht ihr in den nächsten Quartalen Gegenwind vonseiten der höheren Leitzinsen der Europäischen Zentralbank.

Die Erholung der chinesischen Wirtschaft blieb in diesem Jahr hinter den Erwartungen zurück. Die Massnahmen der Regierung im Oktober dürften die Konjunktur erneut ankurbeln, aber Chinas Erholung hat deutlich an Glanz verloren.

Risiken vorhanden

Auch wenn heute einige Faktoren dafürsprechen, dass die USA sich einer harten Landung entziehen kann, so ist eine Rezession noch nicht vom Tisch. Möglicherweise wirken die bremsenden Effekte höherer US-Leitzinsen in diesem Konjunkturzyklus erst verzögert. Eine harte Landung in den USA reisst in der Regel auch die europäische Wirtschaft (inklusive Schweiz) in eine Rezession und beeinträchtigt das Wachstum der Schwellenländer massiv.

Neben dem starken Anstieg der US-Leitzinsen stellen auch die geopolitischen Brandherde ein Risiko für die Weltwirtschaft dar. Eine Eskalation des Konfliktes zwischen den Hamas und Israel könnte zu einem Flächenbrand im Nahen Osten führen. Ein starker Anstieg des Ölpreises würde die Zentralbanken der Industriestaaten, die bereits heute einen anspruchsvollen Balanceakt vollführen müssen, noch mehr in die Enge treiben. Daraus könnte eine Stagflation resultieren: eine anhaltend hohe Inflation verbunden mit einer stagnierenden Wirtschaftsaktivität.

Das Jahr 2024 bringt aber nicht nur Risiken mit sich, sondern bietet auch Chancen. Eine Beschleunigung des globalen Wachstums ist auch ein durchaus denkbares Szenario, sollte es der derzeit robusten US-Wirtschaft gelingen, sowohl Europa als auch China mitzuziehen. Diese Beschleunigung könnte durch einen Investitionsboom aufgrund der neuen Chancen im Bereich der «künstlichen Intelligenz» unterstützt werden.

Unterdurchschnittliches Wachstum

Selbst bei einer sanften Landung fehlen dem Schweizer Export in den kommenden Quartalen die Impulse der globalen Wirtschaft. Das zeigt sich im vergleichsweise tiefen Stand des Einkaufsmanagerindex.

Wir rechnen für die Schweizer Wirtschaft in den kommenden Quartalen mit nur unterdurchschnittlichem Wachstum. Das BIP-Wachstum dürfte 2024 1,2 Prozent betragen nach 0,7 Prozent im Jahr 2023.

Trotz des unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums erwarten wir nur einen leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit. Der Arbeitsmarkt wird heute durch einen strukturellen Arbeitskräftemangel charakterisiert, was den Anstieg der Arbeitslosigkeit abbremst.

Inflation bleibt hartnäckig

Wie erwartet hat der Wegfall des Basiseffektes in den Energiepreisen zu einem starken Rückgang der Schweizer Inflation unter die 2-Prozent-Marke geführt. Die Inflationsrisiken sind damit aber noch nicht gebannt. Zweitrundeneffekt (z. B. bei den Mieten) könnten zu einem erneuten Anstieg der Inflation führen.

Allerdings dürfte das relativ schwache Wachstum der Schweizer Wirtschaft mittelfristig auf der Inflationsentwicklung lasten. Während in den kommenden Monaten die Inflation wieder über die 2-Prozent-Marke klettern kann, wird sie im Verlauf des nächsten Jahres wieder darunterfallen. Im Jahresdurchschnitt dürfte 2024 eine Inflation von rund 2 Prozent resultieren, nach 2,2 Prozent im Jahr 2023.

Kein weiterer Zinsschritt der SNB

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) überraschte an ihrer Lagebeurteilung im Herbst und verzichtete auf eine weitere Zinserhöhung, sie beliess den Leitzins bei 1,75 Prozent. Sie begründete diesen Schritt mit Konjunkturrisiken und damit, dass die restriktivere Geldpolitik der letzten Quartale dem vorhandenen Inflationsdruck entgegenwirkt. 

Diese Konjunkturrisiken sind auch in den kommenden Quartalen weiter vorhanden, womit ein weiterer Anstieg der Leitzinsen  zunehmend unwahrscheinlich ist. Gleichzeitig sind die Inflationsrisiken noch nicht vollständig gebändigt. Zinssenkungen dürften erst zu einem Thema für die SNB werden, wenn klar ersichtlich ist, dass die Wirtschaftsabschwächung den unterliegenden Inflationsdruck deutlich bremst. Wir rechnen erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres mit tieferen Leitzinsen.

Die deutlich tiefere Inflation in der Schweiz im Vergleich zu den USA und der Eurozone hat Potenzial für eine Frankenaufwertung geschaffen. Der Zinsvorteil des Dollars, aber auch des Euros gegenüber dem Franken mindern jedoch dessen Attraktivität. Nimmt man beide Argumente zusammen, so spricht das in den kommenden zwölf Monaten für einen Seitwärtstrend in den Währungspaaren EUR/CHF und USD/CHF. 

Alessandro Bee

Alessandro Bee arbeitet seit 2016 für das Chief Investment Office (CIO) der UBS und ist dort 
für die Prognosen zur Schweizer Wirtschaft und zur Geldpolitik 
der Nationalbank verantwortlich.