Business-Trip: Wann lohnt es sich, die Koffer zu packen? – procure.ch

Business-Trip: Wann lohnt es sich, die Koffer zu packen?

Publiziert am Autor: Christian Geiger

Videokonferenz oder Koffer packen? Ein kleiner Leitfaden.

In einer Welt geprägt von steigendem Kostenbewusstsein und einem wachsenden Fokus auf Nachhaltigkeit stellen Unternehmen vermehrt die Notwendigkeit von Geschäftsreisen in Frage, insbesondere im Bereich des Beschaffungs- und Supply Chain Managements. Doch wann ist persönliche Präsenz vor Ort wirklich unverzichtbar? Wir helfen bei der Entscheidung.

In einer Welt, in der das Kostenbewusstsein steigt und die Nachhaltigkeit stärker in den Vordergrund rückt, stellen sich viele Unternehmen die Frage nach der Notwendigkeit von Geschäftsreisen. 

Besonders im Bereich des Beschaffungsmanagements und des Supply Chain Managements war der persönliche Besuch bei Lieferanten schon immer ein wichtiges Mittel für ein partnerschaftliches Lieferanten-Beziehungs-Management. Doch angesichts neuer Kommunikationsmöglichkeiten und eines veränderten Bewusstseins zur Nachhaltigkeit wird die Notwendigkeit solcher Reisen zunehmend in Frage gestellt.

Eine aktuelle Geschäftsreiseanalyse des VDR aus dem Jahr 2023 zeigt, dass weiterhin viele Geschäftsreisen durch Video- oder Telefonkonferenzen ersetzt werden. Die Zeiten, in denen Geschäftsreisen als selbstverständlich angesehen wurden, sind vorbei. Unternehmen fordern nun eine Reduktion von Kosten und Aufwänden in diesem Bereich.

Doch wann sollten Sie als Einkäufer die Koffer packen, den Aufwand und die Kosten in Kauf nehmen, um vor Ort Präsenz zu zeigen? Wir haben eine Checkliste zusammengestellt, um Ihnen bei dieser Entscheidung zu helfen.

Wie wichtig ist der Lieferant?

Hier greifen wir auf ein klassisches Tool aus dem strategischen Beschaffungsmanagement zurück: Das Beschaffungsportfolio nach Kraljic. Wir teilen dabei unsere Lieferanten in vier Quadranten ein und stellen dabei das Einkaufsvolumen dem Versorgungsrisiko und der Komplexität  gegenüber. Auch werden Single-Source-Lieferanten eruiert. 

Engpass-Lieferanten und strategische Lieferanten sind prädestiniert für persönliche Gespräche vor Ort, und die Reisezeit ist sinnvoll investiert.

Was es zu besprechen gilt

Strategische Lieferanten müssen besonders gepflegt werden, da sie äusserst relevant für unser Unternehmen sind und einen wichtigen Teil unserer Wertschöpfungskette darstellen. 

Ziel ist es, Logistik- und Qualitätspartnerschaften aufzubauen und Entwicklungskooperationen einzugehen, um auf technischer Ebene zusammenzuarbeiten. Ausserdem sollten Sie ein Gefühl für Ihren Stellenwert als Kunde beim Lieferanten entwickeln.

Mit Engpass-Lieferanten ist ein aktiver Informationsaustausch notwendig. Die geringen Einkaufsvolumina garantieren oft keine automatischen und standardisierten Herstellungs- und Belieferungsprozesse. Hier ist ein aktives Management und ein enger Kontakt mit dem Lieferanten erforderlich.

Diese Lieferanten bergen oft individuelle Risiken und bedingen spezifische Vereinbarungen. Eine Beurteilung vor Ort, zusammen mit ihrem Quality Manager, ist für diese Aufgaben zwingend.

Was leistet der Lieferant?

Die laufende Lieferantenbewertung ist entscheidend. Transparenz über die Performance von Lieferanten ist notwendig, um zielführende Massnahmen zu ergreifen oder gut performende Lieferanten in Angebotsprozessen zu bevorzugen. Kriterien wie Anlieferqualität, Termintreue, subjektive Bewertung der Zusammenarbeit und Wirtschaftlichkeit sollten zur regelmässigen Leistungsüberwachung herangezogen werden. Bei Nichterreichen der Ziele sind Massnahmen zur Verbesserung angebracht.

Zunächst sollte das klärende Gespräch gesucht werden. Unter Analyse von Ursachen und bereits getroffenen Massnahmen wird beurteilt, ob diese wirksam sind, und zusätzliche Massnahmen werden definiert.

Waren klärende Gespräche nicht erfolgreich – und die Massnahmen weiterhin nicht genügend, um den Missstand zu beheben – erfolgt ein Lieferantenaudit. Planen Sie zusammen mit dem Qualitätsmanagement ein Audit vor Ort.

Ist der Lieferant nicht in der Lage, die Missstände aus dem Audit selbst zu beheben, ist im Rahmen von Q-Zirkeln eine verstärkte Unterstützung in Form von Beratung bis hin zu personellen Kompetenzen vor Ort erforderlich. Kern dieser Massnahme ist es, klare Ziele zu vereinbaren und deren Erreichung kurzzyklisch zu bewerten.

Auswahl neuer Lieferanten

Die Aufnahme eines neuen Lieferanten ins Portfolio erfordert eine sorgfältige Bewertung unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren. Hierzu gehören die Kreditwürdigkeit des Lieferanten, die Unternehmensstrukturen, bestehende Zertifizierungen und andere relevante Aspekte. Besonders bei strategisch wichtigen Lieferanten ist eine gründliche Beurteilung empfehlenswert, am besten durch eine Vor-Ort-Inspektion.

Bei der Bewertung neuer Lieferanten sollten verschiedene Kriterien in Betracht gezogen werden, darunter die Produktionskapazitäten, das Qualitätsmanagement, das Lieferantenmanagement und die Logistik, die Innovationskraft und Entwicklungsfähigkeit, die strategische Ausrichtung sowie die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens. Auch ethische Kriterien und die Einhaltung von Nachhaltigkeits- und Umweltschutzstandards sind von Bedeutung.

In Bezug auf die Produktqualität kann es sinnvoll sein, Mitarbeitende aus dem Bereich Qualitätssicherung und Wareneingangsprüfung zur Abnahme der Erstmuster zum Lieferanten vor Ort zu entsenden. Dies ermöglicht eine effektivere Qualitätssicherung und hebt den Standard auf ein höheres Niveau.

In einer Zeit, in der Geschäftsreisen kritisch hinterfragt werden, ist es zentral, kluge Entscheidungen darüber zu treffen, wann persönliche Präsenz vor Ort notwendig ist und wann alternative Kommunikationsmittel ausreichen. Eine sorgfältige Analyse der Lieferanten und eine kontinuierliche Überwachung der Leistung sind unerlässlich, um die richtigen Entscheidungen zu treffen und die Effizienz im Beschaffungsmanagement zu steigern.

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Christian Geiger

Der Autor ist Lehrgangsleiter der Weiterbildung «Supplier Quality Management». Bereits während seines Maschinenbau-Studiums hat ihn das operative Qualitätsmanagement von der Produktentwicklung bis zur Serienproduktion fasziniert. Heute gibt er als Dozent bei der SAQ-QUALICON seine Erfahrungen weiter.