Der Kernprozess: Beschaffen, um zu kreieren – procure.ch

Der Kernprozess: Beschaffen, um zu kreieren

Publiziert am Autor: Christopher Kayatz

Es gibt noch einen anderen Kernprozess in der Beschaffung – das Sourcing von Innovation.

Der Innovationsbeschaffungsprozess ist in vielen Unternehmen noch nicht vom herkömmlichen RFP abgegrenzt. Deswegen besteht Frustration im Findungsprozess zwischen Startups und Innovationskäufern. Weshalb ist dem so?

An einem Start-up-Anlass an der ETH beklagten sich vor Kurzem alle dort präsenten Start-ups unisono, dass grosse Unternehmen zu viel Zeit bräuchten, um sich für eine Start-up-Lösung zu entscheiden, und dass ihnen der «Pfuus» ausgeht, bevor es zu einem Vertrag kommt. 

Da haben sie auch recht. Man kann die Beobachtung damit erklären, dass der Innova-
tionsbeschaffungsprozess in vielen Unternehmen noch nicht vom herkömmlichen RFP abgegrenzt ist und deswegen Frustration im Findungsprozess zwischen Start-ups und Innovationskäufern besteht.

Man kann das Problem aber reduzieren – und die Beschaffung soll hier in ihrem Unternehmen ihre eigenen Ansätze neu denken. Selbstreflexion ist auf beiden Seiten des Tisches gefordert.

Um zu verstehen, was die Motivationen auf beiden Seiten sind, möchte ich anlehnen an Erfahrungen aus einem «predictive supply chain analytics»-Unternehmen: Ein Start-up sucht in der Regel einen signifikanten Partner, der die Lösung umsetzen und zur Weiterentwicklung beitragen will, welcher dem Start-up stabiles Einkommen sichert und welcher als Referenz für die Zukunft dient. Damit sichern sich Start-ups Wachstum und mehr Unabhängigkeit von Investoren. 

Schwierig ist für Start-ups, die begrenzten verfügbaren Mittel über viele mögliche Partner zu priorisieren und zu allokieren. Ein Minimum Viable Product (MVP) für mehrere Kunden zu personalisieren oder in Piloten zu investieren ist teuer und garantiert keine Erfolgschancen. 

Dem gegenüber: Käufer von Innovation suchen einen «disruptiven» Wettbewerbsvorteil, eine digitale Lösung, die herkömmliche Prozesse ersetzt oder neue Erkenntnisse gewinnen kann, oder sie versuchen ganz einfach, ihre Wortschöpfung zu verjüngen und sich frischen Start-up-Geist zu injizieren mit seinem Optimismus, Tatendrang und seiner Unkompliziertheit. 

Zu bedenken für den Käufer gilt: Wenn die Lösung gemeinsam erarbeitet wurde, soll die Entwicklungsphase mit höherer Toleranz gegenüber Kostenintransparenz übergehen in eine operative Phase mit hoher Transparenz und Leistungserwartungen seitens Käufer. Das Augenmerk des Innovationskäufers ist auf Begrenzung der Risiken. 

Die Beschaffung ist prädestiniert, ihre Erfahrung und Werkzeuge einzusetzen, um für den Konzern die Wettbewerbsfähigkeit anzuheben. Für Innovationsbeschaffung erfordert dies zum Beispiel folgenden Ansatz: Zum Ersten: Auch bei Innovation ist Wettbewerb sinnvoll. Es ist vorteilhaft, das Netz früh und weit auszuwerfen, sich an Messen einen Eindruck von Anbietern zu verschaffen und deren Unterschiede zu erkennen, in Kompetenz, Resilienz, Anreizen, Kultur usw. 

Wie unterscheidet sich ein Innovationsprozess vom herkömmlichen RFP? Der Innova-
tions-RFP sollte sich nicht eine Lösung zu einer bestehenden Spezifikation zum bestmöglichen Preis zum Ziel setzen. Was er anstreben soll, 
ist ein messbares Problem zu beheben; dazu benötigt er einen Partner sowie Digitalisierungs- oder Nachhaltigkeitskompetenzen, beidseitiges Durchhaltevermögen für mehrjährige Zusammenarbeit, Gegenseitigkeit oder gemeinsames Teilhaben am Erfolg. 

Christopher Kayatz

Christopher Kayatz ist CPO der Post. Seit 2003 beschäftigt er sich mit Procurement in Unternehmen wie McKinsey & Company, Carlsberg oder IWG in Schweden, den USA, Grossbritannien und der Schweiz.