Digitale Prozesse sind auch im Einkauf das A&O – procure.ch

Digitale Prozesse sind auch im Einkauf das A&O

Publiziert am Autor: Alex Saric

Das schreibt sich von alleine: KI wird der Katalysator für die Transformation der Beschaffung.

850 internationale Beschaffungsentscheider sagen in einer aktuellen Studie: Zwar werden im Einkauf bereits Technologien wie Automatisierung und KI eingesetzt – doch mehr als die Hälfte der Prozesse für Beschaffung und Lieferantenmanagement wurden noch nicht digitalisiert. Die Befragten schätzen, dass sie jedes Jahr mehr als ein Fünftel ihrer Zeit mit papierbasierten oder manuellen Prozessen vergeuden. Was bedeutet der erstaunlich niedrige Digitalisierungsgrad für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen?

Krisenbedingte Lieferengpässe, hohe Zinsen und steigende Preise für Strom und Direktmaterialien zeigen sehr deutlich, welche Herausforderungen der Einkauf nach wie vor bewältigen muss. 

Hinzu kommt die sogenannte EU-Taxonomie, aber auch neue Regulatorien wie das bereits im Entwurf befindliche EU-Lieferkettengesetz oder die erweiterte Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Die CSRD betrifft auch Schweizer Unternehmen, die in der EU einen Nettoumsatz von mehr als
150 Millionen Euro erwirtschaften und in der EU mindestens eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU haben. 

Einkauf hinkt hinterher

Der Einkauf hat entscheidenden Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg des gesamten Unternehmens. Damit er dieser enormen Verantwortung gerecht werden kann, muss er Entscheidungen schnell und strategisch treffen können.

Während der Corona-Pandemie und durch den Krieg in der Ukraine bekamen Einkäufer die Folgen dieser mangelnden Digitalisierung bereits zu spüren: Sie konnten nur stark zeitversetzt auf Lieferengpässe reagieren und fanden bei auftretenden Problemen nur mit Mühe passenden Ersatz. 

Viele Organisationen sind bis heute nicht in der Lage, Risikoinformationen aus mehreren externen Quellen auszuwerten, mit eigenen Daten zu aggregieren und dem Einkauf faktenbasierte Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Sie können zudem CSR-Risiken weder seriös prüfen noch dokumentieren.

Studie belegt das Hinterherhinken

Eine neue Studie, die von von Sapio Research im Juli 2023 im Auftrag von Ivalua durchgeführt wurde, hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der Prozesse für Beschaffung und Lieferantenmanagement noch nicht digitalisiert worden sind. 

Die Studie basiert auf einer Umfrage unter 850 Beschaffungsleitern in Grossbritannien, den USA, Deutschland, Frankreich, Schweden, den Niederlanden und Italien.

Die befragten Beschaffungsleiter schätzen, dass sie jedes Jahr im Durchschnitt mehr als ein Fünftel (22 Prozent) ihrer Zeit mit papierbasierten oder manuellen Prozessen vergeuden.

Die  Studie zeigt ausserdem, dass die Hälfte der Führungskräfte im Beschaffungswesen (50 Prozent) der Meinung ist, dass die Digitalisierung im Beschaffungswesen zu langsam voranschreitet, während 47 Prozent meinen, dass die bestehenden Beschaffungslösungen nicht flexibel genug sind, um mit dem ständigen Wandel Schritt zu halten und mit den Unsicherheiten des Marktes und der Wirtschaft umzugehen. 

Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit der Beschaffung, an strategischeren Aufgaben zu arbeiten. 

Nach Ansicht der Befragten hat das weitreichende Auswirkungen. Mangelnde Digitalisierung schränkt die Fähigkeit von Unternehmen ein, schnelle und fundierte Entscheidungen über ihre Lieferanten zu treffen. Das sagen global weniger als die Hälfte der Befragten (47 Prozent), aber fast zwei Drittel der deutschen Entscheider (63 Prozent).

Mangelnde Digitalisierung verhindert, dass Unternehmen die steigende Inflation und die Kostenspirale in den Griff bekommen. Mangelnde Digitalisierung macht es fast unmöglich, die besten Talente anzuziehen und zu halten – auch hier besteht ein deutlicher Unterschied zu den deutschen Beschaffungsentscheidern, von denen 59 Prozent die These unterstützen.

Angesichts der unsicheren Wirtschaftsaussichten, Inflation und stetig steigenden regulatorischen Anforderungen ist es heute wichtiger denn je, alle Prozesse für Beschaffung und Lieferantenmanagement zu digitalisieren und dem Einkauf genügend Freiraum zu schaffen, um die strategischen Herausforderungen zu bewältigen.

Unternehmen benötigen zuverlässige Datengrundlagen – nicht nur für KI

Die Studie zeigt, dass 85 Prozent der Unternehmen Datenanalysen innerhalb der Beschaffungs- und Lieferantenmanagementfunktion implementiert haben oder dies planen. 

Lediglich 8 Prozent der Befragten gaben an, dass sie «kein grosses Vertrauen» in die Qualität und Zugänglichkeit ihrer Lieferantendaten haben, in Deutschland sogar nur 4 Prozent. 

Allerdings geben nur 30 Prozent der Befragten an, dass sie «sehr zuversichtlich» sind, was die Qualität und Zugänglichkeit ihrer Lieferantendaten angeht, wenn es um die Unterstützung einer effektiven Beschaffung geht.
63 Prozent der Beschaffungsentscheider geben an, dass sie bereits KI-Technologie oder Machine Learning implementiert haben oder planen, dies zu tun – in Deutschland sogar 73 Prozent. 

Zu den weiteren Technologien, die Unternehmen als Lösungen zur Umgestaltung ihrer Prozesse in den Bereichen Beschaffung und Lieferantenmanagement implementiert haben oder dies planen, gehören:

  • Vollständige End-to-End-Source-to-Pay-Plattformen (72 Prozent), die zu einer besseren Verwaltung ihrer Ausgaben und Lieferanten beitragen können.
  • Chatbots (63 Prozent), die den Nutzern helfen können, fundiertere Kaufentscheidungen zu treffen.
  • Blockchain-Technologie (56 Prozent): kann die Herkunftsnachweise beim Kauf von Waren verbessern.

Robotic Process Automation, RPA

(55 Prozent): kann die Zeit für die Erstellung von Reportings verkürzen und das Vertrags- und Kategorienmanagement unterstützen.

Künstliche Intelligenz kann der Katalysator für die Transformation des Beschaffungswesens sein - mit klaren Anwendungsfällen für die Datenverarbeitung, die Automatisierung und die Gewinnung von Erkenntnissen zur Verbesserung sämtlicher Einkaufsprozesse. 

Schlechte Datenqualität schränkt jedoch die Zuverlässigkeit dieser Technologien massiv ein. Um dem zu begegnen, sollte ein cloudbasierter Ansatz für die Beschaffung gewählt werden, der sowohl eine zentrale Datenbasis schafft als auch externe Informationen in einer zentralen Plattform zusammenführt – und die Nutzung neuer Technologien zuverlässiger und sicherer macht. 

Alex Saric

Alex Saric ist Experte für Smart Procurement beim Source-to-Pay-Softwareanbieter Ivalua und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Beschaffung und Supply Chain Management.