Digitalisierung: Wer schafft die Regeln? – procure.ch

Digitalisierung: Wer schafft die Regeln?

Publiziert am Autor: Roland Wirth

Nicht nur die Lieferketten ändern sich im Rahmen der digitalen Revolution von Grund auf, auch die anderen Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft sind davon betroffen. Wenn nur schon ein Bruchteil der Voraussagen eintritt, werden wir unsere Lebens- und Wirtschaftsweise bald nicht mehr wiedererkennen. Was bedeutet dies für die staatlichen Rahmenbedingungen?

Die Digitalisierung wird in grossem Stil neuen Regulierungsbedarf schaffen, neue Bereiche müssen geregelt und alte Gesetze aufgehoben werden. Dies erfordert juristisches Augenmass und technischen Sachverstand. Es ist eine entscheidende Frage, wer diese Arbeit wie gut macht. Die Problemlösefähigkeit der politischen Systeme wird auf eine neue Probe gestellt.

Die Industrialisierung hat damals den Systemwechsel von den Monarchien zu den Parteiendemokratien gebracht, weil die Monarchien weder mit den Arbeitermassen noch mit dem neuen Mittelstand umzugehen wussten. Folgt der Digitalisierung ein weiterer Systemwechsel? Vermag unser uraltes System den hohen Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden?

Ein gutes politisches System nutzt die denkerischen Ressourcen der Gesellschaft vollumfänglich, die besten Fachleute müssen sich einbringen können. In der digital-globalen Gesellschaft unterscheiden sich die Leben der Menschen massiv von jenen im 19. Jahrhundert. Unser System beruht aber noch immer auf der Mitgliedschaft in Parteien, die lokal verankert sind. Rund die Hälfte der Bevölkerung wechselt alle paar Jahre den Wohnort und ist deshalb vom aktiven politischen Prozess ausgeschlossen. Dazu kommen immer mehr, die sich durchaus engagieren möchten, aber keine Lust auf langweilige Partei­abende haben. Wir können uns diese Verschwendung von Denkkraft nicht länger erlauben, das System ist zu reformieren. Wir müssen das politische Engagement von Zeit, Ort und Parteiprogrammen unabhängiger machen.

Dazu ist eine partielle aktive Teilnahme am politischen Prozess zu ermöglichen. Es lassen sich nach Problemkreisen Communities von Interessierten aufstellen, die ähnlich parlamentarischer Kommissionen Entscheidungen fällen oder vorbereiten. Die politische Arbeit wird so projektbezogen und zeitlich befristet – was den vielfältigen Lebensentwürfen der heutigen und zukünftigen Menschen entgegenkommt. Es wäre ein sehr gewagtes Spiel, mit einem veralteten System die Herausforderungen der Digitalisierung angehen zu wollen.

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