Schlüsselstelle: strategisches Beschaffungscontrolling – procure.ch

Schlüsselstelle: strategisches Beschaffungscontrolling

Publiziert am Autoren: Matthias Pfoster, Sandro Tedone

Beschaffungscontrolling gilt inzwischen als Türöffner zu ganzheitlichem Unternehmenserfolg.

Das Aufgabenportfolio der Procurement-Profis hat in den letzten Jahren durch Digitalisierung, Covid-19 und auch durch Lieferkettenstörungen stark an Komplexität zugelegt. Dadurch erhöht sich die Notwendigkeit, Einkaufsaktivitäten zu planen, zu steuern und mit anderen Unternehmensbereichen abzustimmen.

Die Beschaffung beeinflusst schon lange nicht mehr nur ausschliesslich das Unternehmensergebnis durch Einkaufspreise, Prozess- und Transportkosten. Sie steht zunehmend im Fokus der Kundeninteraktion, weil Zukaufsteile die Service- und Produktqualität prägen und dadurch das Kundenerlebnis beeinflussen. 
Lieferzeiten, Verfügbarkeit, Abwicklung von Kundenretouren, Transparenz in der Lieferkette und Beschaffung nach nachhaltigen Standards sind weitere Hygienefaktoren, die für den Kunden zunehmend von Bedeutung sind, wobei dem Einkauf eine Schlüsselrolle zugewiesen wird.  

Beschaffungscontrolling

Die Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten in der Beschaffung und die teilweise gegensätzlichen Ziele machen eine Koordination der Beschaffungshandlungen notwendig. Sie müssen geplant und gesteuert sowie mit den Zielen des Gesamtunternehmens und anderer Unternehmensbereiche abgestimmt werden, was die Einführung eines Controllingsystems für die Beschaffung sinnvoll macht. 

Ein solches Controlling ermöglicht als Subsystem des Beschaffungsmanagements über einen Controllingkreislauf eine zukunfts-, engpass-, informations- und zielorientierte Steuerung und Koordination der Beschaffung. Im Beschaffungscontrolling wird zwischen direkten und indirekten Zielen unterschieden. 

Ziele

Die direkten Ziele umfassen die Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktions- und Adaptionsfähigkeit des Beschaffungsmanagements, damit dieses in der Lage ist, die Unternehmensziele zu realisieren. Die indirekten Ziele stellen den erwünschten Zustand dar, dessen Erreichung das Controlling herbeiführen soll. 

Ziele im Beschaffungscontrolling beinhalten einerseits die Senkung der Beschaffungskosten und die Reduktion von Beschaffungszeit und -risiko. Hierbei umfassen die Kosten das Beschaffungsobjekt-, Beschaffungsprozess- und alle beschaffungsbezogenen Kosten. Unter Beschaffungszeit versteht man den Zeitraum, der für die Wiederbeschaffung benötigt wird. Beschaffungsrisiken entstehen durch die Abweichung der tatsächlichen von den geplanten Ereignissen in den Beschaffungsmärkten und im Beschaffungsbereich. 

Weitere Ziele fokussieren sich auf die Erhöhung der Beschaffungsflexibilität und -qualität. Die Beschaffungsflexibilität drückt den Handlungsspielraum eines Unternehmens im Hinblick auf ungeplante bzw. unplanbare Abweichungen aus, umfasst also Leistungs-, Mengen-, Zeit- und Ortsflexibilität. Die Beschaffungsqualität stellt die Deckungsgleichheit zwischen geforderten und erhaltenen Anforderungen dar und umfasst Aspekte wie das Produkt selbst, Lieferort und Lieferservice. 

Letztlich verfolgt das Beschaffungscon­trolling auch ESG-orientierte Beschaffungsziele. Anforderungen von Verbänden, Banken und Kunden sowie Vorgaben und Gesetze der EU und Nationalstaaten hinsichtlich Umwelt, Soziales und Aufsichtsstrukturen betreffen verstärkt Unternehmen intern sowie auch ihre Lieferketten. Damit müssen sie von der Beschaffung berücksichtigt und aktiv gesteuert werden. Die Wichtigkeit von Zielen, Kennzahlen und Massnahmen in diesem Bereich wird deshalb in den nächsten Jahren deutlich zunehmen.  

Handlungsfelder und Instrumente

Eine ausschliessliche Fokussierung auf monetäre Ziele würde zu einer Teiloptimierung führen, da für den Unternehmenserfolg wesentliche nicht monetäre Werte wie beispielsweise die Beziehungsqualität zu Lieferanten oder deren Innovationsfähigkeit nicht ausreichend Berücksichtigung finden würden. 

Aus den Zielen lassen sich diverse Handlungsfelder identifizieren, welche nicht nur Messung und Optimierung des Beschaffungserfolgs, sondern auch die Koordination der Zusammenarbeit mit Lieferanten und die Schaffung von mehr Transparenz innerhalb der Lieferkette beinhalten. Basierend darauf ergibt sich eine Vielzahl an möglichen Instrumenten. 

Welche Instrumente geeignet sind, hängt von unterschiedlichen internen und externen Einflussgrössen wie den situativen Anforderungen der Verwendung, dem Entwicklungsstand des Controllings und dem im Unternehmen angewandten Führungsverhalten ab. Es geht also um eine inhaltlich und unternehmenskulturell fundierte Auswahl und Anpassung der Controllinginstrumente. 

Organisatorische Umsetzung 

Wie auch das Unternehmenscontrolling ergibt sich das Beschaffungscontrolling aus dem Zusammenspiel mehrerer Personen, die nicht unbedingt Controller-Rollen innehaben müssen. 

Die Inhaber der Beschaffungscontrolling-Funktion sind für die Existenz der Planungs-, Kontroll- und Informationsinstrumente und für die Durchführung von Planung, Abweichungsanalysen und Managementinformation verantwortlich, die Inhalte der Planung werden hingegen von den Führungskräften der Beschaffungsabteilung beigesteuert. 

Beschaffungscontrolling setzt aber nicht die Existenz einer eigenen Beschaffungscontrolling-Stelle im Unternehmen voraus. Die Controllingtätigkeiten werden häufig in Sinne des Selbstcontrolling von Mitarbeitenden der Beschaffung beziehungsweise vom Beschaffungsmanagement selbst oder aber mit Abstand zur Beschaffung vom Unternehmenscontrolling ausgeführt. 

Eine eigene Stelle für Beschaffungscontrolling hängt von einigen Faktoren ab und kann daher nur unternehmensspezifisch entschieden werden. 
 

Matthias Pfoster

Matthias Pfoster ist Senior Project Manager bei der Unternehmensberatung Horváth. Er verfügt über zehn Jahre Erfahrung als Unternehmensberater und hat zusätzliche Erfahrung in diversen Linienfunktionen gesammelt, hauptsächlich 
in den Bereichen Einkauf und Supply Chain Management. 

Sandro Tedone

Sandro Tedone ist Consultant bei der Unternehmensberatung Horváth. Er ist seit mehr als zwei Jahren als Unternehmensberater tätig. Er hat kleinere und grössere Einkaufsorganisationen in der Transformation, Digitalisierung und Neuausrichtung begleitet.

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