Wettbewerbsvorteil «Einkauf 4.0» – procure.ch

Wettbewerbsvorteil «Einkauf 4.0»

Publiziert am Autor: Carsten Vollrath

Durch mehr Informationen, mehr Zeit und mehr strategische Optionen können Einkäufer vorausschauend entscheiden – und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen erzielen.

Die Konzeption von Einkauf 4.0 bedeutet die umfassende Digitalisierung und Automation der Funktionen innerhalb eines Unternehmens und der Lieferantenumgebung. Der Einkauf 4.0 trägt vor allem dazu bei, Herausforderungen besser zu meistern. Beispielsweise das rechtzeitige Erkennen von Versorgungsengpässen in der Lieferkette, von Verkehrsstauung und Platzmangel. Auch Datenübertragungs- und Kommunikationsfehler zwischen abnehmendem Unternehmen und Lieferanten werden reduziert und eine dezentrale, abteilungsspezifische Steuerung der Wertschöpfungskette wird ermöglicht. 

Pioniere im Arbeitskreis

Unter der Schirmherrschaft von procure.ch und der methodischen Begleitung des Vereins Netzwerk Logistik (VNL) und der Innovative Management Partner (IMP) AG wurde im Mai 2015 ein Arbeitskreis ins Leben gerufen. Zwölf Schweizer Unternehmen stellen sich in diesem der Herausforderung, Industrie-4.0-Konzepte und Digitalisierungstechnologien frühzeitig in ihren Einkaufsorganisationen einzuführen. Wesentlicher Treiber für die Unternehmen ist die Entwicklung eines Leitbildes und eines damit verbundenen Transformationsprogramms. Als wichtigste Stossrichtung betonen die Teilnehmer die Notwendigkeit, die Transformation des eigenen Unternehmens in Richtung digitaler Geschäftsmodelle als strategischer Partner für die Unternehmensführung begleiten zu wollen. Der Einkauf der Zukunft steht vor drei zentralen Herausforderungen:

Bis 2025 werden China, Brasilien, Russland und Indien sowie andere Schwellenländer eine Hauptquelle bei Nachfrage und Angebot für globale Unternehmen spielen. Vorausschauend wird der Einkauf eine kritische und besonders wichtige Rolle innerhalb der organisatorischen Neuausrichtung auf diese globale Verlagerung  spielen.  

Bis 2025 wird das Management von Beschaffungsrisiken weiter an Bedeutung gewinnen. Zusätzlich zur klassischen Aufgabe der  Kostenoptimierung wird sich der Einkaufsschwerpunkt deutlich in Richtung Entwicklung von robusten und nachhaltigen Lieferketten sowie Management von Beschaffungsrisiken entwickeln.

Innovationen in Engineering, Design und Produktentwicklung werden zunehmend aus strategischen Wertschöpfungspartnerschaften entstehen. Kollaborative Outsourcing- und Dienstanschaffungsmodelle werden heutige klassische Lieferantenbeziehungen und Kooperationsmodelle ersetzen.

Hypothesen zum Einkauf 4.0

Digitalisierung und Industrie 4.0 werden deutlichen Einfluss auf den Einkauf der Zukunft haben. Folgende Hypothesen lassen sich formulieren:

Industrie 4.0 bedeutet mehr Integration von Lieferanten, weniger Wettbewerb und damit tendenziell auch höhere Einkaufspreise. Entsprechend wird es immer wichtiger, die Vorteile der Integration objektiv messen und bewerten zu können.

Digitalisierung sorgt für eine immer engere Vernetzung und Selbststeuerung der einzelnen Funktionen und Fachbereiche im Unternehmen. Diese neuen Technologien werden im Einkauf helfen, die Kollaboration, Analytik und Vernetzung zu verbessern. Der Einkauf wird stärker mit anderen Organisationsfunktionen verzahnt bzw. integriert und sich als Profitcenter etablieren.

Unternehmensinterne und -externe Prozesse werden weiter automatisiert und digitalisiert. Administrative Aufgaben werden abnehmen.   

Die Digitalisierung stellt hohe Anforderungen an die Mitarbeiter der Zukunft – sowohl im Einkauf wie im gesamten Unternehmen. Stellenprofile werden sich deutlich verändern. Im Einkauf wird die Bedeutung strategischer, analytischer und akademischer Kompetenzprofile mit technologischem Hintergrund und hoher Dienstleistungsmentalität weiter zunehmen. Professionelle Data-Mining- und Analysetechniken werden zur Basiskompetenz eines jeden Einkäufers. 

Ohne Roadmap geht es nicht  

Eines ist klar: Die Geschäftsführung muss die Gesamtverantwortung für die 4.0-Transformation übernehmen, denn diese Veränderungen betreffen alle Funktionsbereiche des Unternehmens. Um Aktivitäten zu initiieren und ein Zeichen für die Mitarbeiter im Unternehmen zu setzen, sind interdisziplinäre dezentrale Teams zu implementieren, die massgeblich für die Umsetzung und Förderung von Industrie 4.0 verantwortlich sind und direkt an die Geschäftsleitung berichten. 

Des Weiteren sind Transparenz und Know-how über verschiedene Kanäle zu etablieren. Informationen müssen über geeignete IT-Plattformen eingeholt werden können, die den Austausch entlang der gesamten Wertschöpfungskette fördern. Mitarbeiter sind frühzeitig zu informieren und zu mobilisieren und in die Umsetzung zu involvieren – und zwar bevor konkrete Veränderungen eintreten werden.

Der Schlüssel zur Erreichung einer solchen End-to-End-Prozessperspektive ist die Vernetzung selbst – und zwar die vertikale und horizontale Vernetzung durch Technologien und Systeme, aber auch die vertikale und horizontale Vernetzung von Mensch zu Mensch. Hierfür muss entschieden werden, welche Technologien und Systeme zur Digitalisierung des Unternehmens sinnvoll sind und wie diese Vernetzung und Datenaustausch untereinander fördern. 

Innovationsscout Einkauf

Der Einkauf muss seiner strategischen Rolle gerecht werden – am besten als Pionier: Der Einkauf kann sich neu positionieren und die Wertigkeit seiner Beiträge für das Unternehmen weiter steigern. Der Einkauf ist dafür verantwortlich, Innovationen gezielt und exklusiv ins Unternehmen zu holen, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile für das eigene Unternehmen zu schaffen. 

Alle Bemühungen im Zusammenhang mit Industrie 4.0 sollten darauf ausgerichtet sein, neue Geschäftsmodelle erfolgreich umzusetzen. Besonders im Einkauf bietet die Verknüpfung von Big Data und deren Anwendung ein enormes Potenzial. 

Zusammenfassung 

Der Einkauf 4.0 ist keine Zukunftsvision mehr – er ist bereits Realität und wirkt auf alle Unternehmensfunk­tionen. Die Einkaufsfunktion steht mit im Zentrum dieser neuen Realität. Unternehmen sind jetzt gefordert, digitale Technologien im Einkauf zu implementieren und die neue strategische Rolle des Einkaufs im Unternehmen und insbesondere bei der erfolgreichen Implementierung neuer Geschäftsmodelle zu erkennen und aktiv zu fördern. Um Einkauf 4.0 erfolgreich einzuführen, müssen die erforderlichen Investitionen in Organisations- und Mitarbeiterentwicklung von der Unternehmensleitung gezielt und konsequent angegangen werden. 

Über den Autor

Carsten Vollrath ist Ökonom und CEO von Innovative Management Partner (IMP) AG. IMP ist eine international tätige, vernetzte Denkwerkstatt und Unternehmensberatung mit Hauptsitz in Zürich.

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