Wie nachhaltig beschaffen Schweizer Unternehmen?
Publiziert am
Die Studie «State of Procurement» wurde initiiert, um ein tieferes Verständnis für die Entwicklung nachhaltiger Beschaffungspraktiken in der Schweiz zu gewinnen. Angesichts sich wandelnder regulatorischer Anforderungen und steigender Erwartungen von Stakeholdern wurde von Studierenden des Studiengangs Digital Supply Chain Management an der FH Graubünden untersucht, inwiefern Unternehmen Nachhaltigkeit als Teil ihrer Einkaufsstrategie verankern und welche Herausforderungen sie dabei sehen. Die Rolle der Digitalisierung und die Nutzung von KI werden dabei ebenfalls betrachtet.
Entwicklung von 2023 bis 2024
Die Erhebungen zeigen, dass nachhaltige Beschaffung zunehmend strategisch relevant wird. 2023 wurde Nachhaltigkeit noch als nachrangiges Thema behandelt, 2024 hingegen stärker in den Fokus gerückt. Digitale Lösungen zur CO2-Reduktion und Transparenz in der Lieferkette haben an Bedeutung gewonnen, während regulatorische Anforderungen zunehmend als Chance betrachtet werden.
Nachhaltigkeit als strategischer Faktor
Die Bedeutung nachhaltiger Beschaffung steigt: Während 2023 nur 35% der Unternehmen Nachhaltigkeit als eine der drei wichtigsten Prioritäten nannten, erhöhte sich dieser Anteil 2024 auf 52%. Unternehmen erkennen zunehmend, dass nachhaltige Einkaufsstrategien nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch Wettbewerbsvorteile schaffen und langfristige Kosteneinsparungen ermöglichen.
Regulatorische Anforderungen beeinflussen Einkaufsstrategien
Regulatorische Vorgaben haben die Einkaufsstrategien massgeblich verändert. 2023 gaben 47% der Unternehmen an, dass fehlende gesetzliche Vorgaben sie davon abhalten, Nachhaltigkeit stärker zu integrieren. 2024 sank dieser Wert auf 34%, da sich Unternehmen zunehmend an neue Rahmenbedingungen wie den EU Green Deal und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz anpassen.
Hindernisse und Chancen nachhaltiger Beschaffung
Für die Umsetzung nachhaltiger Beschaffung bleiben jedoch Herausforderungen bestehen. Wurden 2023 hohe Einkaufskosten von 48% der Unternehmen als Hindernis gesehen, sank dieser Wert in 2024 leicht auf 44%. Fehlende Transparenz in der Lieferkette bleibt mit 46% ein Problem (2023: 50%), ebenso wie mangelndes Know-how, das mit 38% sogar als grössere Hürde wahrgenommen wurde (2023: 32%). Gleichzeitig erkennen immer mehr Unternehmen die wirtschaftlichen Vorteile: 2023 erwarteten 54% langfristige Kosteneinsparungen, 2024 stieg dieser Wert auf 61%.
Digitalisierung und KI: Fortschritte in der Anwendung
Die Digitalisierung in der Beschaffung schreitet voran. Während 2023 noch 57% der Unternehmen digitale Tools für das Lieferantenmanagement nutzten, sind es 2024 bereits 71%. Besonders KI-gestützte Analysetools und automatisierte Lieferantenbewertungen spielen eine wachsende Rolle. Auch das CO2-Tracking gewinnt an Bedeutung: 2023 hatten nur 22% der Unternehmen entsprechende Tools integriert, 2024 stieg dieser Anteil auf 38%.
Net-Zero-Ziele in Unternehmen
Immer mehr Unternehmen setzen sich konkrete Net-Zero-Ziele. 2023 hatten 54% eine Strategie oder Pläne zur CO2-Reduktion, 2024 waren es bereits 67%. 40% der Unternehmen haben nun klare Net-Zero-Ziele teilweise bereits bis 2035 formuliert. Dies zeigt, dass Nachhaltigkeit zunehmend als langfristige Verpflichtung wahrgenommen wird. Unternehmen beginnen, systematische Massnahmen zur CO2-Reduktion entlang ihrer Lieferketten zu implementieren, sei es durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien, verbesserte Logistikkonzepte oder innovative Ansätze zur Kreislaufwirtschaft. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass Net Zero nicht nur als regulatorische Notwendigkeit, sondern auch als strategische Priorität verstanden wird.

Fazit und Handlungsempfehlungen
Der Vergleich der Umfragen zeigt: Nachhaltigkeit und Digitalisierung gewinnen an Bedeutung. Während regulatorische Anforderungen als Treiber fungieren, bestehen weiterhin Herausforderungen wie Kosten, Know-how-Mangel und Transparenzprobleme in den Lieferketten. Handlungsempfehlungen für CPOs können daher folgende sein:
Strategische Integration von Nachhaltigkeit
Einkaufsteams sollten Nachhaltigkeitsziele nicht isoliert betrachten, sondern in eine ganzheitliche Einkaufsstrategie einbetten. Dies bedeutet die Definition messbarer KPIs und die enge Verzahnung mit übergeordneten Unternehmenszielen. Eine klare Strategie erlaubt es, regulatorische Anforderungen proaktiv zu erfüllen und Wettbewerbsvorteile zu generieren.
- Technologie-Einsatz forcieren
Moderne digitale Lösungen und KI-gestützte Analysetools ermöglichen eine präzisere Steuerung von
Lieferantenbeziehungen und die Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien in Echtzeit. Investitionen in Technologie sind nicht
nur eine Frage der Effizienz, sondern zunehmend ein Muss, um Transparenz und Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette
sicherzustellen. - Schulungen für Einkäufer anbieten
Die regulatorischen Anforderungen an die nachhaltige Beschaffung steigen stetig. Unternehmen sollten ihre Einkaufsabteilungen mit gezielten Weiterbildungen unterstützen, um sicherzustellen, dass Einkäufer regulatorische Vorgaben verstehen und sie effektiv in ihren Entscheidungen berücksichtigen können. Nachhaltigkeitswissen wird zu einer Kernkompetenz im modernen Einkauf.
Lieferketten in die Verantwortung nehmen
Nachhaltigkeit endet nicht an den Unternehmensgrenzen. Erfolgreiche Unternehmen setzen auf partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Lieferanten, um nachhaltige Standards entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu etablieren. Durch aktive Steuerung und Anreizsysteme können Unternehmen ihre Lieferanten dazu motivieren, eigene Nachhaltigkeitsmassnahmen zu verbessern und deren Fortschritte messbar zu machen.

Nach Stationen in Unternehmensberatungen und der Finanzindustrie und Rollen in strategischer Funktion, im Cost Management und im Einkauf berät und begleitet Christian Schmalz heute Unternehmen bei der digitalen Transformation im Einkauf. An der FH Graubünden ist er zudem als Lehrbeauftragter für nachhaltiges Supply Chain Management tätig.