Fachkräftemangel im Einkauf

Fachkräftemangel im Einkauf

Publiziert am Autor: Andreas Kyburz

Eine Erörterung auf Basis der Studie «Stärkung des Güterkreislaufs für die Schweiz» (Hofmann et al., 2024) und «Stellenwert des Einkaufs» (Kyburz, 2024)

Präambel

Die aktuelle Studie der Universität St. Gallen (Hofmann et al., 2024) in Zusammenarbeit mit MOVEMENT’32 respektive dem Dachverband SWISS SUPPLY dient als aktuelle Auslegeordnung und beschäftigt sich mit den Themen Fachkräftemangel, Branchenimage und Herausforderungen. Diese aktuelle Beurteilung kombiniert mit den Erkenntnissen aus der eigenen Studienarbeit (Kyburz, 2023) und der entsprechenden Kurzfassung mit Fokus auf den Einkauf (Kyburz, 2024) bilden die Grundlage des vorliegenden Fachartikels. Somit sei an dieser Stelle dem Autorenteam der Studie (vgl. Quellenverzeichnis Hofmann et al.) sowie den Protagonisten des Dachverbandes SWISS SUPPLY und MOVEMENT’32 herzlich für die umfangreiche Arbeit gedankt. Mögen diese Bestrebungen entsprechende Denkanstösse geben und deren Umsetzung von Erfolg gekrönt sein. Ein spezielles «Dankeschön» für die Sichtbarmachung des zu erwartenden Mangels im Sinne der Darstellung des Fachkräftemangels bis 2032 (vgl. dazu Hofmann et al., 2024, S. 30, Abbildung 19: Prognose [dynamisch] Fachkräftemangel im Bereich Supply bis 2023).1
 

Studieninhalt und Bezug zu Beschaffung respektive Einkauf

Der Studieninhalt wird umfassend erklärt und hergeleitet. Daher wird für weitergehende Fragen und Interpretationen auf die Originalstudie (erschienen im Dezember 2024) verwiesen (vgl. Hofmann et al., 2024). Der Buchinhalt «Stellenwert des Einkaufs» beschäftigt sich primär mit dem Einkauf in mittelgrossen Schweizer Unternehmen. Das entsprechende Fachbuch wird durch den Fachverband procure.ch vertrieben und ist in der ersten Auflage weiterhin verfügbar (zusammen mit der Jahresrechnung 2024 erhielten die Firmenmitglieder des Fachverbandes für Supply Management auf Wunsch ein Gratisexemplar). Bereits die Abgrenzung im Sinne der Begriffsdefinition (Swiss Supply, 2024, zit. in Hofmann et al., S. 1) wird dem Selbstverständnis des Einkaufs nur bedingt gerecht. Auch das Verständnis von Beschaffung als Überbegriff für die Einkaufs- und Logistiktätigkeit (Kyburz, 2024, S. 12) hilft hier nur bedingt. Umgekehrt stimmen die Zielsetzungen des Studienteams, einen «Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Supply Branche» zu leisten (Hofmann et al., 2024, S. I) mit den Bemühungen des Fachverbandes procure.ch und dem Jahresmotto «Fachkräftemangel» des auslaufenden Jahres 2024 überein. Die wesentlichsten Unklarheiten und Nichtübereinstimmungen bestehen in folgenden drei Schlussfolgerungen:

  • Die Supply-Branche (vgl. Hofmann et al., 2024, S. I), wie in der Studie genannt, entspricht nur bedingt dem Einkauf im Sinne von «Procurement». Auch würde sich der Einkauf vermutlich nicht als Branche, sondern als Fachgebiet bezeichnen. Mit Zitat von Jungo (2024): «Der Einkauf ist als Funktion in nahezu allen Branchen präsent.»
  • Die Schlussfolgerungen bezüglich Image (vgl. Hofmann et al., 2024, S. 32) werden – trotz vorhandener Thematik des Stellenwertes des Einkaufs – im Grundsatz so nicht geteilt. Insbesondere die Faktoren gemäss Beschreibung von Hofmann et al. (2024, S. 32) bilden vermutlich die Logistikseite gut ab, nicht aber die Einkaufsseite, welche hier durchaus über ein anderes Image (nicht zwingend besser, so doch andersartig) verfügen. Die Ausgangslage ist vermutlich nicht dieselbe.
  • Die verdankenswerten Berechnungen und deren Herleitung sind gut nachvollziehbar und dokumentiert (siehe dazu Hofmann et al., 2024, S. 9; 11-12; 30) aber bezüglich Einkauf nur bedingt aussagekräftig, da hier einerseits die ergänzenden vorhandenen Berufsbilder als auch die damit verbundenen Schlussfolgerungen nicht überall den getroffenen Annahmen entsprechen. Insbesondere die Thematik der Lehrabbrüche kommt im Einkauf nicht zum Tragen, da die genannten Bildungsstufen nur via zweiten Bildungsweg (sprich auf einem eidgenössischen Fachausweis aufbauend) erarbeitet werden können. Damit entfallen auch die Argumente gemäss Hofmann et al. (2024, S. 20) unter Punkt 5.2.1. im Sinne von «falsches Berufsbild», «Anspruchsvolle Tätigkeiten» und «Mangel an qualifizierten Bewerb[enden]». Suchen wir nicht das Trennende sondern die einigenden Erkenntnisse bezüglich der Einflussfaktoren wie folgt:
  • «Die Funktionsfähigkeit von Lieferketten ist ein fundamentaler Bestandteil für die […] Schweiz» (Hofmann et al., 2024, S. 1).
  • «Der Bereich Supply ist stärker als andere Branchen [besser Bereiche, A.d.V.] vom Fachkräftemangel betroffen» (Kille et al., 2023, zit. in Hofmann et al., 2024, S. 1).
  • Relevante Faktoren für den Fachkräftemangel respektive zu dessen Bekämpfung gemäss Hofmann et al. (2024, S. 19) sind:
     
    • Nachwuchsrekrutierung
    • Migration (vgl. dazu auch König/Siegenthaler, 2022, S. 17: «Das bisherige Rezept ‹Zuwanderung› greift nicht mehr. Denn der demografische Wandel gilt auch in den Nachbarländern – qualifizierte Arbeitskräfte werden global knapp»)
    • Effizienzsteigerung: Gemeint sind reduzierende (= sinkender Bedarf an Fachkräften) und verstärkende (= zusätzlicher Bedarf an Fachkräften) Faktoren im Sinne des Technologieeinsatzes (vgl. dazu Hofmann et al., 2024, S. 23)
    • Wirtschaftliche Entwicklung (vgl. dazu Einschätzung von Hofmann et al., 2024, S. 24 mit einer Prognose von einem Wirtschaftswachstum 2025 von 1.6 %). Wichtigste Aussage dazu: «Das Marktvolumen im Bereich Supply entwickelt sich synchron zum Bruttoinlandsprodukt» (Zacharias & Häberle, 2024, zit. in Hofmann et al., 2024, S. 24). In der Studie findet sich dazu folgende Formulierung: «[…] ein Anstieg des Wirtschaftswachstums [führt] direkt zu einer proportionalen Erhöhung des Fachkräftebedarfs» (Hofmann et al., 2024, S. 29)
    • Demogra[f]ie (vgl. dazu auch Kyburz, 2024b)
    • Quereinsteiger (vgl. dazu auch Kyburz, 2022). Die Erkenntnis von Hofmann et al. wie folgt: «Alle Interviewpartner betonten, dass ihr Unternehmen überdurchschnittlich stark von Quereinsteige[nden] lebt und profitiert» (2024, S. 26)
  • Die «Überakademisierung» (vgl. Hofmann et al., 2024, S. 20) gegenüber der Abbrecherquote [gemeint sind die Abbrecher in den Ausbildungsberufen im Supplybereich]. Als Vergleichsbasis dient hier die Zunahme Studierende in den Bereichen Wirtschaft und Technik, welche gemäss Studie (Hofmann et al., 2024, S. 20) fast eine Verdoppelung innerhalb der vergangenen 19 Jahre ausweist (von 5638 im Jahre 2004 auf 10958 im Jahre 2023).

Letztlich erfolgt eine Priorisierung der Einflussfaktoren. Einigkeit besteht hier sicher im Sinne der Nachwuchsrekrutierung, welcher in der Studie als wichtigster Punkt hervorgehoben wird (vgl. Hofmann et al., 2024, S. 28). Dabei geht es darum, Talente zu finden und zu gewinnen (Hofmann et al., 2024, S. 28). Aus Sicht Einkauf tritt der Punkt der Quereinsteigenden an erste Stelle. In der Studie erhält dieser Punkt ein Rating auf den dritten Platz zusammen mit der wirtschaftlichen Entwicklung (7.11 von 10 möglichen Punkten) (vgl. Hofmann et al., 2024, S. 28). Speziell ist, dass «Effiziensteigerung» auf den zweitletzten Platz rutscht mit einer Bewertung von 6.89 von 10 möglichen Prioritätspunkten. In der Studie wird dazu angemerkt, dass dieser Faktor noch schwer einschätzbar erscheint (vgl. Hofmann et al., 2024, S. 28). Auf dem letzten Platz landet die Demografie, was im Sinne der «nicht Beeinflussbarkeit» nachvollziehbar scheint.2 Mit Blick aus der Praxis, wiederum mit einer Einschätzung von Jungo (2024) besteht heute im Einkauf kaum Fachkräftemangel bezüglich Quantität (Anzahl Bewerbungen auf eine vakante Stelle), wohl aber bezüglich Qualität, um den wachsenden Anforderungen an Einkäuferinnen und Einkäufer gerecht zu werden.

Abschluss und Ausblick

Die vorangehende Beurteilung aus Sicht des Fachverbandes der Einkäuferinnen und Einkäufer und der damit verbundenen Einschätzung ist eine gute Standortbestimmung zum Jahresende 2024. Damit schliesst sich das procure.ch-Jahr zum Fokusthema «Fachkräftemangel». Die entsprechenden Feststellungen sowohl bestätigend als auch akzentuiert bilden eine gute Grundlage für die weiteren Tätigkeiten und Massnahmen inklusive der Verstärkung der Zusammenarbeit und Attraktivität der Beschaffung (Einkauf und Logistik). Hierbei bietet der Verein Swiss Supply die richtige Plattform und den nötigen Austausch als Zweckgemeinschaft, aber auch als Verbandslandschaft in der Breite. In der Hoffnung, dass dies dem MOVEMENT’32 den richtigen Anschub und die nötige Kraft und Ausdauer vermittelt, wird sich auch der Fachverband procure.ch weiter engagieren. Die nicht geteilten Aussagen zum Branchenimage und dessen Herausforderungen werden hier nicht weiter beleuchtet und anderweitig vertieft. Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Studie und der Ausgangslage für die Einkäuferinnen und Einkäufer. Auch hier bildet die Studie von Hofmann et al., 2024, eine gute Grundlage, die zur weiteren Tätigkeit anregt. Kurzum, wer sich mit den vielfältigen Themen rund um den Fachkräftemangel in Logistik und Einkauf beschäftigen will, der nutze die Originalstudie. Es bleibt zu hoffen, dadurch eine direkte Unterstützung der gemeinsamen Anliegen via SWISS SUPPLY (und damit MOVEMENT’32) zu erreichen. Interessierte melden sich direkt bei der entsprechenden Organisation.

Quellenverzeichnis: 

  • Hofmann, Nils / Bögli, Thomas / Moser, Daniel / Klein, Calvin / Zacharias, Leon / Friedli, Thomas (2024): Stärkung des Güterkreislaufs für die Schweiz. Universität St. Gallen, St. Gallen 

  • Jungo, Adrian (2024), Korrespondenz zu «Fachkräftemangel im Einkauf» 

  • Kille, Christian / Schmidt, Thorsten / Stölzle, Wolfgang / Häberle, Ludwig / Rank, Sebastian (2023): Begegnung von Kapazitätsengpässen im Strassengüterverkehr – Fokus Personal, zit. in Hofmann et al., 2024. 

  • König, Andreas / Siegenthaler, Mathias (2022): Fachkräftemangel im Einkauf: Nur ein Hype? procure. ch Magazin 12/2022, S. 16–17 online verfügbar unter swiss-supply.ch/wp-content/uploads/2023/03/ Fachkraeftemangel-im-Einkauf-procure-ch-MagazinDezember-2022.pdf [abgefragt am 21.12.2024] 

  • Kyburz, Andreas (2024): Stellenwert des Einkaufs. procure.ch, Aarau 

  • Kyburz, Andreas (2024b): Bildung: Bestes Mittel gegen Fachkräftemangel. KMU Magazin, Horn, 26.9.2024 online verfügbar unter www.kmu-magazin.ch wissen/mensch-arbeit/bildung-bestes-mittel-gegenfachkraeftemangel [abgefragt am: 21.12.2024] 

  • Kyburz, Andreas (2022): Wie Sie Einkaufstalente finden und fördern können. procure.ch Magazin 12/2022, S. 15 online verfügbar unter https:// swiss-supply.ch/wp-content/uploads/2023/03/ Fachkraeftemangel-im-Einkauf-procure-ch-MagazinDezember-2022.pdf 

  • Swiss Supply (2024): Movement 32 – Die nationale Bewegung zur Stärkung des Güterkreislaufes für die Schweiz, zit. in Hofmann et al., 2024 

  • Zacharias, Leon / Häberle, Ludwig (2024): Logistikmarktstudie Schweiz 01, zit. in Hofmann et al., 2024

Andreas Kyburz

Der Betriebsökonom HWV ist Geschäftsführer von procure.ch. Davor war er über viele Jahre in leitender Funktion im Handel tätig.

kyburz@procure.ch