Einkaufsbenefit durch Nachhaltigkeitsratings

Einkaufsbenefit durch Nachhaltigkeitsratings

Publiziert am Autor: Philipp Aerni

Die nachhaltigen Unternehmen sind häufig auch die besseren Lieferanten. Doch wie lässt sich Nachhaltigkeit auf einfache, aufwandarme und glaubwürdige Art erfassen? Die Forschung zeigt, dass es zuerst eine kohärente und pragmatische Nachhaltigkeitsdefinition braucht. Diese erfasst, inwieweit ein KMU in der Lage ist, die Erwartungen seiner wichtigsten Anspruchsgruppen zu erfüllen. Daraus lässt sich dann analog zur Kreditrisikobewertung eine Nachhaltigkeitsrisikobewertung ableiten. Über ein kalibriertes Benchmarking wird eine Mess- und Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsleistung unter Peers (ähnliche Firmengrössen-/Industrieklasse) erfasst und unabhängig verifiziert.

Diesen Ansatz verfolgt «esg2go», ein Nachhaltigkeitsrating- und -reportingtool, das gemeinsam mit der Praxis sowie diversen Hochschulen in der Schweiz entwickelt und transparent wissenschaftlich publiziert wurde. Es wird bereits von über 1000 KMU und diversen Grossfirmen für das Nachhaltigkeitsmonitoring verwendet. Einerseits zur internen Steuerung der Nachhaltigkeitsstrategie, anderseits zur glaubwürdigen Positionierung gegenüber Kunden mit klaren Nachhaltigkeitserwartungen, denn der Nachhaltigkeitsausweis ist im In- und Ausland breit anerkannt. Grossfirmen sind überzeugt, dass Nachhaltigkeit nicht bloss ein Modethema ist, denn nachhaltige Unternehmen sind oftmals auch die besseren Lieferanten.

Nachhaltige Unternehmen sind meistens auch die besseren Lieferanten

Eine erste Analyse der esg2go Datenbankanalyse deutet darauf hin, dass die KMU, die gut im esg2go Rating abschneiden, zugleich auch die innovativeren und wirtschaftlich erfolgreicheren Unternehmen sind. Das hat viel mit Unternehmenskultur und der Bereitschaft zu tun, Investitionsrisiken in verantwortungsvoller Weise einzugehen, um die Zukunftsfähigkeit der Firma sicherzustellen. Ist Ihrem Unternehmen die Nachhaltigkeit Ihrer Lieferanten wichtig? Früher wäre die Antwort in Anbetracht des Erwartungsdruckes klar «Ja» gewesen, jedoch mit wenig Anreiz für die konkrete Umsetzung von Massnahmen. Heute lautet die gängige Antwort allzu oft «Ehrlich gesagt: Spielt momentan keine grosse Rolle! Habe andere Probleme». 

Es gibt aber gerade jetzt gute Gründe, ein schlankes, aber effektives Nachhaltigkeitsmonitoring der Lieferanten einzuführen, denn gegenwärtig trennt sich der Spreu zunehmend vom Weizen. Vieles wird heute hinterfragt – aus gutem Grund, denn unnötige Bürokratie und Marketing haben wenig mit effektiver Firmennachhaltigkeit zu tun. Was bleibt, sind Firmen, die wissen, dass Nachhaltigkeit langfristig auch die wirtschaftliche Koexistenzfähigkeit sichert. Die Wirtschaft ist nämlich immer Teil der Gesellschaft; und die Gesellschaft wird, unabhängig von der gegenwärtigen Politik, immer wieder kritische Fragen stellen. Wenn sich beispielsweise herausstellt, dass ein kurzfristig denkendes Unternehmen seinen Gewinn auf Kosten der Gesellschaft und der Umwelt macht, so hat das nicht nur für das betroffene Unternehmen Konsequenzen, sondern allzu oft auch für seine Kunden in der Lieferkette. Sie stehen plötzlich im Verdacht, alles gewusst und stillschweigend akzeptiert zu haben. Die Reputationskosten können dabei beträchtlich sein, denn es braucht lange, um Vertrauen in der Gesellschaft aufzubauen – und wenig, um es wieder zu zerstören. 

Daher kann ein Lieferkettenmonitoring, das Nachhaltigkeit auch mit langfristiger Wirtschaftlichkeit in Verbindung bringt, folgende Vorteile mit sich bringen:

  1. Innovation und Zukunftsfähigkeit:
    Nachhaltige Lieferanten sind meist innovativer und haben ein geringeres Reputationsrisiko (z.B. bezüglich Kinderarbeit, Umweltkatastrophen)
  2. Wettbewerbsvorteil im Einkauf:
    Unternehmen, die nachhaltig einkaufen und produzieren, sind attraktiver für Kunden, Investoren und neue Mitarbeiter.
  3. Aufbau von Vertrauen in der Gesellschaft:
    Die kosteneffektive Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben zur Lieferkettensorgfaltspflicht in der Schweiz (OR 964 ff., VSoTr, KlimaVo in der Schweiz*) stellt sicher, dass ihre Lieferanten Umwelt- und Sozialstandards einhalten.

Selbst wenn Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit nicht immer in einem direkten Zusammenhang stehen, so ist im modernen Beschaffungsumfeld doch beides sehr oft miteinander verknüpft.
 

Wie funktioniert esg2go?

KMU geben ihre Daten ein und erhalten eine Bewertung in 10 Key Area Scores. Über eine Key Driver Analysis und esg2go Intelligence werden konkrete Verbesserungsvorschläge im jeweiligen Regulierungs-/Subventionsumfeld gemacht. Durch einen CO₂-Rechner kann aus dem Rating Report der Klimareport generiert werden, der den SBTI-Prinzipien folgt. Im Weiteren können basierend auf dem «Once-Only-Prinzip» Nachhaltigkeitsreports nach den jeweils geforderten Standards erzeugt werden (siehe Box). 

*OR-Artikel 964 ff. wurde als Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative konzipiert. Er ist seit 2024 in Kraft und grössere Firmen sind ab 2025 verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, der auch darlegt, wie Klimaziele erreicht werden sollen. Gestützt auf OR 964j Absätze 2–4 und 964k Absatz gilt die Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit (VSoTr). Gestützt auf das Klima- und Innovationsgesetz (KIG), gilt die Klimaschutz-Verordnung (KlimaVo), die von Unternehmen verlangen aufzuzeigen, wie sie die Klimaziele erreichen wollen.

 

Philipp Aerni

Philipp Aerni ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft Freiburg (HSW-FR) und Direktor des CCRS, des Centers for Corporate Responsibility and Sustainability in Zürich. Sein Institut hat zusammen mit Adjumed Services und diversen weiteren Partnern in der Wirtschaft und der Wissenschaft esg2go als Rating- und Reportingtool lanciert und kontinuierlich weiterentwickelt.

philipp.aerni@hefr.ch

Themen und Schlagwörter