Keine Chance mehr für Greenwashing – procure.ch

Keine Chance mehr für Greenwashing

Publiziert am Autoren: Sebastian Moritz, Maximilian Zott

Mit ökonomischen Anreizen für die Zulieferer können Unternehmen ihre Emissionen reduzieren.

Die Zeiten, in denen unverbindliche Zielsetzungen zur CO2-Reduktion für ein grünes Image gereicht haben, sind vorbei. Unternehmen sind unter starken Druck geraten, Treibhausgasemissionen zu reduzieren – auch die der eigenen Lieferkette. Dafür braucht es ökonomische Anreizsysteme.

Der Druck auf Unternehmen, über eine signifikante Reduktion ihrer CO2-Emissionen einen Beitrag zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu leisten, wächst stetig.  Klimaschutzgesetz, nationaler und europäischer Emissionshandel sowie die Einführung von Grenzausgleichssystemen sind nur Vorboten. 

Früher oder später werden Unternehmen unter anderem durch Regulationen dazu gezwungen, die Emissionen in ihrer Lieferkette drastisch zu reduzieren. Schliesslich besteht der überwiegende Emissionsanteil der meisten Unternehmen aus sogenannten «Scope 3»-Emissionen, die durch Herstellung, Transport und Nutzung des Produkts freigesetzt werden. Diese Emissionen werden fast vollständig von der Lieferkette verursacht oder beeinflusst. 

Zusätzlicher Druck kommt vonseiten der Investoren und Kunden, aber auch von der eigenen Belegschaft. 

Vergleichbarkeit neu definieren

Für Unternehmen stellt dies ein gewaltiges finanzielles Risiko dar. Es bedarf deshalb systematischer Lösungsansätze, da nicht davon auszugehen ist, dass Zulieferer die damit verbundenen Lasten der Transformation allein tragen werden.  

Mittels gezielter Anreizsysteme für Lieferanten und ganzheitlichen Systemen zur Identifikation kosteneffizienter Einsparungsmassnahmen können aber schon heute die Weichen für eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Beschaffung gestellt werden. 

Angesichts der zu erwartenden steigenden Kosten, die mit CO2-Emissionen einhergehen, reicht die alleinige Berücksichtigung von Preis und Qualität bei der Auswahl von Lieferanten nicht mehr aus, um eine ökonomisch sinnvolle Entscheidung zu treffen. Emissionen müssen deswegen zwingend in zukünftige Vergabeentscheidungen intergiert und Lieferanten bezüglich der Gesamtleistung in den Bereichen Preis, Qualität und CO2-Abdruck verglichen werden. 

Hier beginnt die Herausforderung: Würde ein Unternehmen ab morgen einen realistischen Wert für die gesellschaftlichen Kosten pro verursachter Tonne CO2 seiner Lieferanten ansetzen, käme es zu massiven Verwerfungen in den Lieferketten. Kosten würden explodieren und Endprodukte sich enorm verteuern. Im europäischen Emissionshandel werden derzeit Preise zwischen 50 bis 100 Euro pro Tonne CO2 für Zertifikate fällig, die ein betroffenes Unternehmen nachkaufen muss. 

Es stellt sich also die Frage, wie eine graduelle Berücksichtigung von Emissionen ausgestaltet werden kann, sodass sowohl das Unternehmen selbst als auch die Zulieferer an die wahren Kosten von CO2 und den damit verbundenen Konsequenzen herangeführt werden können. 

Anreize statt qualitative Kriterien 

Als Startpunkt bietet sich die Berücksichtigung qualitativer Kriterien an. Hat ein Lieferant heute bereits Transparenz über seine Emissionen? Hat sich der Zulieferer zur Klimaneutralität verpflichtet und einen Plan zur Umsetzung? 

Allein die Einführung dieser Kriterien wird das Augenmerk der Lieferanten auf Nachhaltigkeit legen, kann aber nur ein allererster Schritt sein. Spannend wird dies dort, wo der Einkauf Konsequenzen zieht, sofern solche Kriterien nicht erfüllt sind und Lieferanten zukünftig von Ausschreibungen ausgeschlossen werden oder einen Nachteil gegenüber Wettbewerbern erhalten.

Noch weiter gehen bereits Vorreiter auf diesem Gebiet. Sie bepreisen schon heute die Emissionen ihrer Lieferanten mit einem internen «Preis»-Äquivalent pro Tonne CO2. Lieferanten, die entsprechend mehr CO2 als der Wettbewerber verursachen, erhalten so einen «Malus» in der Vergabeentscheidung, wohingegen Lieferanten mit grünen Produkten ein «Bonus» gewährt wird. Dieser monetäre Bonus oder Malus entspricht einer Zahlungsbereitschaft für CO2-Reduktionen und wird mit dem Angebotspreis verrechnet, sodass Lieferanten anhand eines um die CO2-Kosten adjustierten Preises verglichen werden.

Unternehmen geben also nicht nur an, dass sie den CO2-Fussabdruck ihrer Lieferanten qualitativ berücksichtigen, sondern sie kommunizieren verbindlich, wie viel teurer ein Produkt sein kann, damit eine Tonne CO2 weniger produziert wird. 

Dieser Ansatz setzt klare Anreize, schon heute in grüne Lösungen zu investieren und signalisiert verbindlich, dass das Unternehmen bereit ist, für diese auch zukünftig eine Prämie zu zahlen. Diese Sicherheit erlaubt es wiederum den Anbietern, ihrerseits in grüne Lösungen zu investieren – eine Win-win-Situation für alle.

Wer zuletzt kommt …

Die Herleitung des «richtigen» internen CO2-Preises ist erfahrungsgemäss alles andere als trivial. Verschiedene Ansätze wie die Ausrichtung am internen CO2-Budget oder die Kosten für den Ausgleich freigesetzter Emissionen können erste Ansatzpunkte liefern. Entscheidend ist aber auch eine zeitliche Komponente. 

Viele Unternehmen stehen heute noch ganz am Anfang und haben (noch) keine Zahlungsbereitschaft für grünere Lieferketten. Jeder CO2-Preis, ganz egal wie niedrig dieser am Anfang sein mag, ist damit aber ein Startpunkt. Er wird sich aber zwingend über die Zeit an den wahren Kosten für CO2, denen ein Unternehmen regulationsbedingt ausgesetzt sein wird, annähern müssen.

Viel wichtiger für das Einkaufsmanagement ist aber der Umkehrschluss. Ein Unternehmen, das nicht sehr schnell bereit ist, seinen Zulieferern verbindlich zu signalisieren, dass grüne Lösungen nicht nur wichtig, sondern auch etwas wert sind, wird keine Anreize zu Innovationen und Investitionen in seiner Lieferkette setzen. Im schlimmsten Fall tun dies die Wettbewerber. 

In Märkten, in denen grüne Lösungen noch für lange Zeit ein knappes Gut sein werden, wird nur derjenige bedient werden, der dies frühzeitig erkannt hat. Beispiele finden sich in jeder Industrie, wie der Mangel an grünen Baustoffen, Verpackungen, Energieträgern oder Transportflotten zeigt. 
 

Sebastian Moritz

Sebastian Moritz hat in Supply Chain Management promoviert und ist heute Managing Partner bei der Unternehmensberatung TWS Partners und als Experte für den strategischen Einkauf, angewandte Industrieökonomik sowie Market Design verantwortlich. 

Maximilian Zott

Maximilian Zott hat am Lehrstuhl für Statistik in Würzburg promoviert und ist Projektleiter bei TWS Partners und verantwortlich für den Bereich Nachhaltigkeit und CO2-Emissionen.