Digitalisierung – ohne Mitarbeit(er) wird das nix!
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«You never get a second chance to make a first impression»
Die Digitalisierung des Einkaufs erfordert mehr als nur die Einführung neuer Technologien. Sie bedeutet einen tiefgreifenden Wandel in der Arbeitsweise, Denkweise und Unternehmenskultur. Studien zeigen, dass viele Transformationsprojekte ihre Ziele nicht vollständig erreichen, und hier gibt es in der Regel drei entscheidende Gründe. Zwei Hauptgründe sind zu enge Zeitpläne und zu geringe Budgets. Mit mehr Zeit und mehr Geld lässt sich hier allerdings nachsteuern. Der wichtigste Grund ist jedoch die mangelnde Akzeptanz der Mitarbeiter. Oft werden sie nicht früh genug in den Digitalisierungs- und Transformationsprozess einbezogen und notwendige Anpassungen werden nur unzureichend erklärt. Und hier lässt sich nicht so einfach nachsteuern, denn wie wir alle wissen: «You never get a second chance to make a first impression.»
Die Rolle der Mitarbeiter – von der Erkenntnis zur Umsetzung
Die Mitarbeiter sollten frühzeitig in den Evaluierungsprozess neuer digitaler Lösungen einbezogen werden. Nur so fühlen sie sich als aktive Gestalter der Digitalisierung und nicht als Betroffene. Eine ehrliche Analyse des digitalen Reifegrads der Einkaufsabteilung ist ebenfalls wichtig. Lösungen, die als zu komplex oder technologisch zu fortgeschritten wahrgenommen werden, führen zu Frustration und Ablehnung. Bereits heute gibt es so viele digitale Lösungen, dass es nicht mehr möglich ist, all diese im Detail zu kennen.
Die grösste Herausforderung besteht aber nicht darin, die Lösungen zu kennen, sondern die genauen Probleme in der Einkaufsabteilung. Am Anfang steht das Erkenntnisproblem, d.h., ich muss zunächst meine Herausforderungen analysieren, priorisieren und danach erst die entsprechende Lösung suchen. Dabei sollte ich bereits ein mögliches Umsetzungsproblem im Hinterkopf haben. Hat jeder Mitarbeiter das nötige Know-how, den Mindset und die Motivation, die entsprechenden Tools auch einzusetzen?
Insbesondere im Bereich künstliche Intelligenz sollte ein entsprechendes «Up-Skilling»- oder «Re-Skilling»-Programm für die Mitarbeiter frühzeitig geplant und implementiert werden. Eine oft unterschätzte Option besteht darin, ein Tool zu implementieren, welches nicht alle meine Probleme löst, aber mit einer hohen Anwenderfreundlichkeit die Neugier und das Experimentieren der Mitarbeiter fördert. Und auf dieser positiven Erfahrung lässt sich dann sehr einfach weiter aufbauen.
Der Wille zur Veränderung
Frage: Kann der Mitarbeiter in drei einfachen Sätzen sagen, warum digitalisiert oder transformiert wird? Dieses Verständnis ist elementar, denn nur so kann der Mitarbeiter für sich ableiten, warum er sich verändern muss. Neurowissenschaftlich ist bereits seit Langem nachgewiesen, dass unser Gehirn bis ins hohe Alter «verformbar» bleibt und Neues lernen möglich ist. Neudeutsch wird dann gerne vom «Growth Mindset» gesprochen, aber es ist entscheidend, dem Willen zur Veränderung auch Taten folgen zu lassen, das heisst, ich muss ins aktive Tun kommen. Mit der einfachen Veränderungsformel: Wollen × Können × Dürfen!
Aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse legen dabei zugrunde, dass wiram besten durch Fehler lernen. Durch Lernen und intelligente Fehler wird unser Gehirn getriggert, sich zu verändern, da wir diese Fehler in der Zukunft vermeiden wollen. Zeigen sich im Anschluss erste Lernerfolge, werden wir mit einem Schuss Dopamin belohnt, und dadurch wird das neu gelernte neuroplastisch verfestigt. Eine Unternehmenskultur, die es Mitarbeitern ermöglicht, aus Fehlern zu lernen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben, ist dabei eine ganz entscheidende Grundvoraussetzung.

Oliver Kahle ist als Head of Operational Procurement Excellence bei GF Piping Systems tätig. Er ist ein Leadership-Experte mit Fokus auf Change- und Transformationsprojekte im digitalen Zeitalter. Dabei blickt der gelernte Schreiner und Naturwissenschaftler auf mehr als 20 Jahre Führungs erfahrung zurück. Seine Philosophie «Think like a scientist; lead like a sports coach; make it work like a craftsman» ist dabei immer auf den Menschen ausgerichtet, denn «Ohne Mitarbeit(er) wird das nix!»