Praxisbericht: Zentralisierung der Beschaffung bei Schweizer Zucker AG

Praxisbericht: Zentralisierung der Beschaffung bei Schweizer Zucker AG

Publiziert am Autor: Ron Bertolla

Mit der Reorganisation der Beschaffungsabteilung hat die Schweizer Zucker AG (SZU) einen bedeutenden Schritt in Richtung Effizienz, Transparenz und strategischer Ausrichtung gemacht. Im folgenden Beitrag wird die Entwicklung der neuen Organisation aufgezeigt, von der Ausgangslage bis hin zu den nächsten Schritten – ein Erfahrungsbericht mit Blick in die Zukunft.

Informationen zum Unternehmen

Die Schweizer Zucker AG (SZU) mit Sitz in Frauenfeld ist der einzige Zuckerproduzent der Schweiz. Als einziges Unternehmen im Land verarbeitet sie Zuckerrüben und versorgt den Schweizer Markt mit Zucker, Futtermitteln sowie weiteren Produkten. 

In ihren beiden Werken in Frauenfeld und Aarberg verarbeitet die SZU durchschnittlich über 1,7 Millionen Tonnen Zuckerrüben pro Jahr. Daraus entstehen jährlich zwischen 200000 bis 250000 Tonnen Zucker, von denen rund 85 Prozent in der schweizerischen Lebensmittelindustrie – etwa in der Getränke-, Biskuit- und Schokoladenproduktion – weiterverarbeitet werden. Die restlichen 15 Prozent gelangen über den Detailhandel an die Endkundschaft. 

Die Rübenverarbeitung erfolgt in der sogenannten «Kampagne», die jeweils von Ende September bis Ende Dezember dauert. In diesem Zeitraum werden die Rüben zu Kristallzucker und Dicksaft verarbeitet. Neben Kristallzucker, Gelierzucker, Biozucker und Dicksaft produziert das Unternehmen auch Press- und Trockenschnitzel sowie Melasse, die in der Landwirtschaft als Futtermittel Verwendung finden. Seit Juni 2022 wird zudem im Werk Aarberg Ethanol hergestellt. In Frauenfeld wird aus Zuckerrüben ausserdem das Geliermittel Pektin gewonnen. 

Die beim Waschen der Rüben anfallende Erde sowie weitere Restprodukte aus der Land- und Forstwirtschaft werden von der Tochtergesellschaft Ricoter Erdaufbereitung AG zu Recyclingprodukten verarbeitet.

Ausgangslage und Zielsetzung

Bis ins Jahr 2023 agierten die Beschaffungsabteilungen an den beiden Produktionsstandorten Aarberg und Frauenfeld mehrheitlich unabhängig voneinander. Zwar wurden Koordinationsansätze entwickelt, jedoch nie konsequent umgesetzt. Eine im Frühjahr 2023 gemeinsam mit Procurement Partner erarbeitete Studie bildete die Grundlage für die Entscheidung, die beiden Beschaffungen organisatorisch zusammenzuführen. 

Ziel der neuen Struktur war es, die Einkaufsaktivitäten unter dem Dach der Schweizer Zucker AG zu bündeln, Synergien zu nutzen und damit ein höheres Einsparpotenzial im gesamten Beschaffungsportfolio zu erzielen. Beide Standorte wurden fortan der neu geschaffenen Funktion «Leiter Beschaffung» unterstellt.

Start der neuen Organisation

Der offizielle Start der reorganisierten Abteilung erfolgte im August 2023 mit dem Eintritt von Ron Bertolla als neuem Leiter Beschaffung. Bereits im September wurde ein erster gemeinsamer Workshop mit dem gesamten Team (Einkauf und Logistik) in Olten durchgeführt. 

Zunächst wurde eine Vision für die Beschaffung erarbeitet, die als langfristige strategische Ausrichtung dient: Die Abteilung soll sich als zentrales Kompetenzzentrum für alle beschaffungsrelevanten Aktivitäten an beiden Standorten etablieren – ohne zwingend alle Prozesse zentralisieren zu müssen. Vielmehr soll eine koordinierte, informierte und flexible Mitgestaltung erfolgen.

Eine umfassende SWOT-Analyse, unterstützt durch Stakeholder-Feedback, diente der systematischen Bestandsaufnahme. Die daraus abgeleiteten Handlungsfelder wurden priorisiert – mit dem Ziel, konkrete nächste Schritte zu definieren und gezielt umzusetzen.

Kennzahlen und Einsparpotenziale

Ein zentrales Element der neuen Organisation ist ein übersichtliches Kennzahlen-Cockpit, das die wesentlichen Beschaffungsprozesse abbildet. Die Auswertungen erfolgen getrennt nach den Standorten Aarberg und Frauenfeld, was eine differenzierte Steuerung und gezielte Optimierung ermöglicht. 

Ein besonderer Fokus liegt auf der Erzielung von Einsparungen. Im Gegensatz zu Umsatzsteigerungen wirken sich Einsparungen unmittelbar auf die Kostenstruktur aus. Jeder Rappen zählt in der Brieftasche. Seit dem «Go Live» im August 2023 werden sämtliche Einsparungen systematisch dokumentiert – allerdings nur solche, die aktiv mit den Lieferanten ausgehandelt wurden. Standardrabatte werden nicht berücksichtigt. Durch die Integration auch bislang nicht zentral gesteuerter Investitionsgüter eröffnen sich zusätzliche Hebel zur direkten Kostensteuerung.

Nächste Schritte – Ausblick

Die Weiterentwicklung der Beschaffungskompetenz bleibt ein zentrales Ziel. Entscheidender Erfolgsfaktor dabei ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit internen Schnittstellen. Durch die Mitgestaltung erfolgreicher Projekte soll sichergestellt werden, dass die Beschaffung frühzeitig in relevante Prozesse eingebunden wird – auch über klassische Einkaufsaufgaben hinaus, etwa in der kommerziellen Unterstützung anderer Bereiche. 

Ein strategisch wichtiger Aspekt ist die Einführung eines standardisierten Lieferantenbewertungssystems, das im Zuge des anstehenden Updates des ERP-Systems (Navision) umgesetzt werden soll. Die transparente Rückmeldung an Lieferanten, verbunden mit der Möglichkeit zur Weiterentwicklung oder zur Sicherung bestehender Qualität, bildet dabei einen zentralen Baustein. 

Auch im Bereich der Lagerlogistik sind wesentliche Weiterentwicklungen geplant. Die Beschaffung ist für die Lager an beiden Standorten verantwortlich, in denen rund 27000 Artikel – darunter Normteile, PSA, mechanische Komponenten und strategisch relevante Ersatzteile – verwaltet werden. Die Instandhaltung ist Hauptnutzerin dieser Bestände und profitiert insbesondere in Revisionen von einer gesicherten Verfügbarkeit. Im Zuge der Systemumstellung stellt die präzise Nachdisposition dieser kritischen Teile eine zentrale Herausforderung dar.

Fazit 

Mit der Zentralisierung der Beschaffung hat die Schweizer Zucker AG einen wesentlichen Schritt in Richtung Professionalisierung und Effizienzsteigerung unternommen. Der strukturierte Aufbau, die klare strategische Ausrichtung und die enge Zusammenarbeit mit internen wie externen Partnern schaffen die Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte, leistungsfähige Beschaffungsorganisation. 

Ron Bertolla

Ron Bertolla lebt in Bettlach und ist in der ganzen Schweiz als Zauberkünstler aktiv. Beruflich ist er seit über 30 Jahren im Bereich Einkauf und Beschaffung tätig. Im Jahr 2023 übernahm er die Leitung der Beschaffung bei der Schweizer Zucker AG.

r.bertolla@zucker.ch